Lokführer-Streik beendet: Bahn: Züge fallen noch den ganzen Tag über aus
Nach dem bundesweiten Lokführerstreik am Samstagmorgen ist der Fahrplan der Deutschen Bahn durcheinandergeraten. Ein ICE in Berlin hatte mittags über vier Stunden Verspätung.
Die Auswirkungen des dreistündigen Stillstandes werden viele Fahrgäste heute noch den gesamten Tag über spüren. Rund 1000 Züge seien bundesweit vom Streik betroffen gewesen, teilte die Deutsche Bahn am Mittag mit, „vor allem im Nahverkehr aber auch im Fern- und Güterverkehr.“ Einige Züge fuhren zur Streikzeit mit starker Verspätung, die meisten fielen komplett aus. Seit neun Uhr rollen sie wieder. Der Betrieb brauche aber noch Zeit, um sich wieder zu normalisieren, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn dem Tagesspiegel. „Der Fahrplan wird sich erst im Laufe des Tages wieder einpendeln.“
Die Züge hätten drei Stunden gestanden, so der Sprecher. Erst nach dem Streik hätten sie verspätet die Zielbahnhöfe anfahren können. Die wenigsten Fahrgäste konnten also um Punkt neun, als der Streik offiziell beendet galt, am Bahnhof in ihren Zug einsteigen.
ICE mit 250 Minuten Verspätung
Beispielweise der RE aus Rostock, der den Berliner Hauptbahnhof um 11.11 Uhr erreichen sollte, aber 70 Minuten Verspätung hatte. Rekordhalter war mittags der ICE1709, der 250 Minuten Verspätung, also mehr als vier Stunden abfahren sollte. Beim IC nach Westerland, der eigentlich um 8.15 Uhr in Berlin abfahren sollte, zeigte die elektronische Auskunft am Mittag "+240" an, also genau vier Stunden - der Zug war noch nicht einmal abgefahren. 230 Minuten waren es beim Eurocity nach Prag. Hier hieß es zur Begründung allerdings "Technische Störung am Zug", unklar blieb, ob dies korrekt war. Zusätzliche Probleme gab es am Vormittag, weil der Magdeburger Hauptbahnhof seit 9.15 Uhr über Stunden gesperrt war, da ein Kesselwagen leck geschlagen war. Die Gleise 1 bis 5 wurden zwar um 11.30 Uhr wieder freigegeben. Die Gleise 6 bis 8, auf denen der RE 1 nach Berlin ankommt und abfährt, waren um 12 Uhr noch gesperrt. Die Züge der RE 1 endeten deshalb bereits vor Magdeburg.
Kurz nach neun: Die Bahnen kommen im Zehn-Minuten-Takt.
Viele S-Bahnen fuhren jedoch schon um kurz nach neun wieder, als habe es nie einen Streik gegeben. "Die Streikmaßnahmen der Gewerkschaft der Lokomotivführer sind beendet", teilte die S-Bahn Berlin per Twitter mit. "Der S-Bahn-Betrieb wird auf allen Strecken wieder aufgenommen." Allerdings sei "auf allen Linien zunächst noch mit Verspätungen und einzelnen Zugausfällen zu rechnen".
An der Station Messe Nord ICC steigen wieder Passagiere ein und aus, hier fährt die Ringbahn. Aber auch hier vermelden die elektronischen Anzeigetafeln der S-Bahn: "Nach dem Warnstreik der GDL fahren die Züge noch unregelmäßig." Die Bahnen kommen etwa im Zehn-Minuten-Takt. Die meisten Fahrgäste fahren zur Sicherheit trotzdem noch mit der U2 bis Kaiserdamm. Von dort laufen sie bis zum Messegelände. Nur einige biegen zum Zentralen Omnibusbahnhof ZOB ab.
Bei der Firma Berlinlinienbus haben heute morgen etwa zehn Personen ihren Bus nach Hamburg verpasst. Sie dürfen jetzt spätere Busse nutzen. "Die meisten waren vorbereitet und wussten bescheid", sagt die Frau am Schalter. Für eine Dame mit Rollkoffer gilt das nicht, sie will auch nach Hamburg zurück. Eineinhalb Stunden hatte sie heute morgen eingeplant, von der Wollankstraße bis zum ZOB. Sie hat auf die Ringbahnen gezählt - und schaffte es nicht pünktlich. Noch eine Stunde wartet sie jetzt auf den nächsten Bus.
Seit Samstagmorgen sechs Uhr hatte die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) bei der Deutschen Bahn zum Warnstreik aufgerufen. Vom Ausfall betroffen waren 90 bis 95 Prozent der Züge, sagte ein Sprecher der Lokführergewerkschaft GdL. Die Bahn bestätigte, dass der Ausstand ab 05.45 Uhr flächendeckend angelaufen sei. Ausgefallen seien Verbindungen im Fern-, Regional- und Güterverkehr. Vereinzelt führen allerdings Züge.
Um den Bahnverkehr zum Stillstand zu bringen, reichen schon wenige Streikende. Lässt ein Lokführer seinen Zug stehen, bleibt das Gleis blockiert, auch alle anderen Züge hinter ihm, in denen vielleicht Lokführer sitzen, die weiter fahren wollen, müssen dann anhalten. Der bundesweite Warnstreik der Lokführer wirkt sich deshalb in Berlin auch auf den Personenverkehr aus - also sowohl auf S-Bahn als auch Regional- und Fernverkehr.
Auch wenn der Personenverkehr an einem Samstagmorgen deutlich weniger stark ist als an einem Werktag und der Streik um neun Uhr beendet war, dürften die Folgen des Ausstandes noch länger zu spüren sein. Nach Ende des Streiks wies die Berliner S-Bahn daraufhin, dass noch länger mit Verspätungen zu rechnen sei. Auch könnten manche Züge ganz ausfallen. Davor hatte man versucht, den Kunden Mut zu machen:
Kaum Reserven bei der BVG
Im Fernverkehr können Reisende, die es eilig haben, eventuell auf Fernbusse ausweichen. Im Nahverkehr können S-Bahn-Nutzer versuchen, auf die Berliner BVG auszuweichen. Diese lässt seit dem 24. August bei den meisten U-Bahnen die Züge abends bereits häufiger fahren. Zusätzliche Fahrten wird die BVG kaum anbieten können. Dazu braucht das Unternehmen in der Regel einen Vorlauf von 24 Stunden, um den Einsatz der Fahrzeuge disponieren und Dienstpläne fürs Fahrpersonal ändern zu können. Außerdem gibt es kaum Reserven – weder bei den Bussen und Bahnen noch beim Personal. Um in diesem Jahr das Busangebot erweitern zu können, musste die BVG sogar gebrauchte Busse kaufen.
Taxifahrer hoffen auf ein zusätzliches Geschäft
Auf ein zusätzliches Geschäft hofft dagegen das Taxigewerbe. Wer vom Streik überrascht werde, steige häufig auf ein Taxi um, heißt es im Gewerbe. Wenn die Aktion allerdings lange vorher bekannt ist, greife man auch auf das eigene Auto zurück, falls vorhanden. Ein Geschäft könnten auch Carsharing-Firmen machen. Viele Nutzer im Nahverkehr haben auch dort Verträge, die Bahn bietet sogar eigene Fahrzeuge an. Und auch auf die Leihräder der Bahn können Streikbetroffene zurückgreifen.
Fahrgästen, die wegen des Streiks ihre Reise nicht wie geplant antreten können, bietet die Bahn an, ihre Fahrkarte und Reservierung im DB Reisezentrum oder in den DB Agenturen gebührenfrei zu erstatten. Alternativ können Reisende den nächsten fahrenden – auch höherwertigen – Zug nutzen. In diesem Fall werde bei zuggebundenen Angeboten, wie beispielsweise Sparpreis-Tickets, auch die Zugbindung aufgehoben, teilte die Bahn mit. Ergänzend zu den freiwilligen Kulanzregelungen können die von Streiks betroffenen Fahrgäste auch die gesetzlichen Fahrgastrechte in Anspruch nehmen, die greifen, wenn das Ziel mehr als eine Stunde zu spät erreicht wird. Für Zeitkarten gelten die tariflichen Umtausch- und Erstattungsbedingungen.
Aktuelle Fahrplaninformationen gibt es telefonisch unter der allgemeinen Servicenummer der Deutschen Bahn 0180 699 66 33 (20 Cent je Anruf aus dem Festnetz, Tarife bei Mobilfunk maximal 60 Cent/Anruf). Details sind auch unter www.bahn.de/aktuell, m.bahn.de und auf dem Kurznachrichtendienst Twitter erhältlich.