Charlottenburg: Bahn zockt um Spielhalle im Bahnhof Zoo
Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ist entsetzt über die erneute Planung von Automatencasinos im Bahnhof Zoo. Doch jetzt macht der Konzern lieber einen Rückzieher.
Erst acht Monate ist es her, dass die Bahn ihre Pläne für zwei Automatencasinos im Bahnhof Zoo nach vielen Protesten aufgab. Umso überraschter war der Charlottenburg-Wilmersdorfer Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU), als ihm Bahnvertreter jetzt erneut einen Bauantrag für eine Spielhalle an der Stelle des einstigen Bahnhofspostamts ankündigten – es gebe auch schon einen zehnjährigen Mietvertrag. Am Montag jedoch, nachdem Gröhler davon am Morgen im Stadtplanungsausschuss des Abgeordnetenhauses berichtet und die CDU scharfe Kritik geübt hatte, klang alles plötzlich wieder ganz anders. „Das Vorhaben wird nicht weiter verfolgt“, sagte ein Sprecher der Bahn auf Nachfrage.
Die AG City und das Bezirksamt hatten bereits während der Diskussionen im vorigen Sommer eine „Rückkehr zum Schmuddelimage“ befürchtet. Tagesspiegel-Leser sprachen sich in einer Pro-&-Contra-Abstimmung zu 99,1 Prozent gegen Spielhallen im Bahnhof aus. Die Gegend war vor allem durch das 1978 erschienene Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ bundesweit als Treffpunkt vom Drogensüchtigen und Strichern in Verruf geraten.
Vor diesem Hintergrund nannte die CDU-Stadtentwicklungsexpertin Stefanie Bung den neuen Vorstoß der Bahn gestern einen „Skandal“. Das Quartier solle aufgewertet und nicht durch Spielhallen „zusätzlich belastet“ werden. Außerdem müssten wieder Fernzüge am Zoo halten.
Vom zweiten Rückzieher des Konzerns bei der Spielhallenplanung erfuhr Stadtrat Gröhler am Montag erst nach der Ausschusssitzung. Wann genau sich die Bahn dazu entschloss, ist unklar. Ein Sprecher sagte, es habe für das „Freizeit- und Entertainmentzentrum“ im Bahnhof Zoo noch „keinen Antrag gegeben“. Die Überlegungen hätten im Zusammenhang mit einem „Masterplan“ für die Modernisierung des Bahnhofs gestanden.
Gröhler stellte klar, worum es bei diesem sogenannten Freizeitzentrum ging: „Ein bekanntes Unternehmen aus der Spielhallenbranche wollte zwölf Geldspielgeräte und weitere Geräte aufstellen.“ Bahnvertreter hätten ihn zusammen mit einer Managerin der Firma und einem Anwalt aufgesucht. Er habe deutlich gemacht, dass der Bezirk sich „notfalls bis vor das Bundesverwaltungsgericht“ wehren und „alle planungsrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“ werde. Gestern hatte Gröhler mit einem neuen Bebauungsplan gedroht, um dem angedachten Casino-Standort den Status als Eisenbahnfläche abzuerkennen. Denn baurechtlich seien solche Flächen nur für Nutzungen im Rahmen des Bahnbetriebs gedacht.Bezirkswirtschaftsstadtrat Marc Schulte (SPD) beklagt, Automatencasinos seien in der City-West eine „furchtbare Mode“. Dem Bezirk liegen mehr als ein Dutzend Anträge vor. Nur selten lassen sich die Neueröffnungen mit baurechtlichen Mitteln verhindern. So zog vor einiger Zeit ein Automatencasino in die ehemaligen Räume der Musikalienhandlung Riedel an der Uhlandstraße. Ebenfalls in der Uhlandstraße wird zurzeit ein Sexshop nahe der Ecke Kurfürstendamm zur Spielhalle umgebaut.
Das Casino im Bahnhof hätte aus Sicht der Kritiker auch die Arbeit der vier neuen Regionalmanager konterkariert, die im Auftrag des Senats, des Bezirks und der AG City im April eine Zukunftswerkstatt im benachbarten Amerika-Haus in der Hardenbergstraße eröffnen wollen. Einer von ihnen, der Stadtplaner Joachim Wolf, sieht sich vorrangig als Vermittler: Wäre die Bahn jetzt stur geblieben, sagt er, „hätten wir alle Seiten zur Diskussion eingeladen“.