Berlin-Lichtenberg: Auto fährt bei Rot - Radler stirbt
Ein Rotlichtfahrer hat in der Nacht einen 26-jährigen Radfahrer frontal erfasst und getötet. Am Vormittag wird der 2015 getöteten Radler gedacht.
Ein trauriger Donnerstag: Der ADFC stellte gestern in Berlin zum Gedenken an die im vergangenen Jahr getöteten Fahrradfahrer sogenannte „Geisterräder“ auf. Wenige Stunden vor diesem Termin wurde ein 26-Jähriger Opfer eines Rotlichtfahrers. Der junge Mann wollte die sechsspurige Straße Alt-Friedrichsfelde in Höhe Rosenfelder Straße bei grüner Fußgängerampel überqueren. Polizei und Feuerwehr waren gegen 21.40 Uhr alarmiert worden.
Der Autofahrer hatte eindeutig Rot, hieß es im Polizeipräsidium. Dies hätten Zeugenaussagen ergeben. Wie schnell der 37-jährige Autofahrer fuhr, konnte die Polizei nicht abschließend sagen, angeblich soll der Wagen deutlich zu schnell gewesen sein. Der Ford erfasste den Radfahrer frontal, die Frontscheibe des Wagens war nach innen gedrückt und völlig zersplittert. Ein Notarzt konnte dem 26-Jährigen nicht mehr helfen. Die Straße war stadteinwärts zur Unfallaufnahme bis Mitternacht gesperrt. Alkohol soll der Fahrer nicht getrunken haben.
Die Kreuzung ist autogerecht ausgebaut, die Ost-West-Magistrale ist Teil der Bundesstraße 1. Da Autos im Zuge der Rosenfelder Straße die Straße Alt-Friedrichsfelde nicht queren können, müssen Radfahrer die Fußgängerampel zwangsweise nutzen. Nach Angaben der Polizei müssen Radfahrer dann absteigen und das Rad schieben. Es reicht ein Blick auf Google Streetview, um zu erkennen, dass sich daran keiner hält.
Letztlich hat aber nicht die auf Autos ausgelegte Infrastruktur nahe dem Bahnhof Lichtenberg den tödlichen Unfall verschuldet, sondern massives Fehlverhalten eines Autofahrers. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der von stationären Blitzern erwischten Rotlichtfahrer um 32 Prozent. 2014 waren es knapp 23 000, im abgelaufenen Jahr bereits mehr als 30 000 Verstöße. Dabei haben nur 14 der stadtweit etwa 2000 Ampeln einen „Rotlichtblitzer“, von denen zwei wegen Bauarbeiten im vergangenen Jahr abgeschaltet waren. Spitzenreiter war, wie berichtet, die Säule am Siemensdamm Ecke Nikolaus-Groß-Weg in Charlottenburg mit 9280 geblitzten Kfz. Angesichts dieser erschreckenden Zahlen fordern die Grünen mehr stationäre Blitzer.
Auch die beiden anderen Radfahrer, die in diesem Jahr getötet wurden, starben weil Autofahrer die Verkehrsregeln missachteten. In den beiden anderen Fällen wurden ältere Frauen in engen Straßen von hinten umgefahren – weil der zu Radfahrern beim Überholen vorgeschriebene Sicherheitsabstand nicht eingehalten wurde. Durch eine statistische Besonderheit zählt die in der Heerstraße getötete 76-Jährige als „Motorradfahrerin“, da sie ein E-Bike (S-Pedelec) fuhr. Bei der Unfallursache Seitenabstand hilft nur Aufklärung von Autofahrern. Radfahrer klagen, dass sich kaum ein Autofahrer an die vorgeschriebenen 1,50 Meter hält. Der ADFC hat Warnwesten mit entsprechendem Piktogramm auf dem Rücken im Angebot. Aktivisten fordern ein Überholverbot für Autofahrer, wenn dieser Abstand nicht eingehalten werden kann.
Zehn Radfahrer starben im Jahr 2015. Seit sechs Jahren erinnert der Berliner ADFC mit weiß gestrichenen Rädern, den sogenannten Geisterrädern an sie. Das erste wurde am Donnerstagsvormittag in der Reichenberger Straße Ecke Glogauer Straße an eine Laterne gekettet zur Mahnung. An dieser Kreuzung war im April der erste Radler des Jahres 2015 getötet wurden, „durch den Unfall-Klassiker“, wie Nikolas Linck vom ADFC sagte: nämlich durch einen rechtsabbiegenden Lastwagen.
Nach ADFC-Angaben sollte am Donnerstag auch an den anderen Unfallorten jeweils ein Rad aufgestellt werden. Im Fall des 75-Jährigen, der im Dezember aus unbekannten Gründen auf der Autobahn 114 in Pankow radelte und dabei erfasst wurde, soll kein Rad aufgestellt werden. Dort gibt es keine Möglichkeit dazu, hieß es. Dafür soll eines auf dem Tempelhofer Feld aufgestellt werden, wo ein Radfahrer von einem Kitesurfer getötet worden war. Da der Unfall nicht auf Straßenland stattfand, geht er nicht in die Statistik ein. Der ADFC hat jetzt die Polizeiberichte der Jahre 1987 mit denen des Jahres 2015 verglichen. Ergebnis: Die Unfallursachen ähneln sich frappierend. Die ADFC-Vorsitzende Eva-Maria Scheel forderte den Senat deshalb zum Handeln auf, „damit die Zahl der getöteten und verletzten Radfahrer endlich abnimmt“.