Sophie-Scholl-Sekundarschule: Auswahl nicht nur nach Noten
Die Sophie-Scholl-Sekundarschule wählt ihre Siebtklässler in Aufnahmegesprächen aus. Ein Ortstermin.
Nervös sind sie alle. Die Eltern, die Formulare ausfüllen, die Kinder, die Gitarren und Querflöten dabeihaben oder selbstgemalte Bilder unter dem Arm tragen. Sie drängen sich auf dem Flur im ersten Stock der Schöneberger Sophie-Scholl-Sekundarschule, in die sie zu Aufnahmegesprächen gekommen sind. Mehr als 200 Kinder werden heute erwartet, nochmal so viele werden es zwei Tage später sein. Rund die Hälfte von ihnen wird einen Platz bekommen.
Die Schule ist eine von rund 30 Berliner Schulen, die beim Übergang in die Oberschulen nicht auf den Notenschnitt der Kinder, sondern auf „besondere Begabungen“ als Aufnahmekriterium setzen. Sie wählt ihre Schüler seit neun Jahren profilbezogen aus und hat damit sehr gute Erfahrungen gemacht: Sie gilt als eine der nachgefragtesten der Stadt. „Bitte erschrecken Sie nicht“, steht entsprechend auf einem Informationszettel, der an die Familien verteilt wird, „wenn Sie heute sehr viele Menschen hier antreffen.“
Die Familien wissen, auf welche Konkurrenz sie sich einlassen, und trotzdem sind sie hier. „Wir haben nur Gutes gehört“, sagt eine Mutter. „Wir möchten, dass unser Sohn dreizehn Jahre Zeit hat bis zum Abitur. Aber die anderen Sekundarschulen sagen uns nicht zu“, sagt eine andere. Schulleiter Klaus Brunswicker bestätigt das: „Wir konkurrieren weniger mit den Sekundarschulen als mit Gymnasien“, sagt er. Trotzdem will die Schule keine für Eliten sein: Ein Viertel der Plätze ist für Schüler reserviert, die eine Förderprognose von 2,8 und schlechter haben, darunter auch Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf.
Die elfjährige Lisette*, die nun aufgerufen wird, will sich für die Musikklasse bewerben. Neun Klassen wird es nächstes Jahr an der Schule geben, darunter Schwerpunkt-Klassen in Kunst, Musik, Naturwissenschaften und Sprachen. Lisette sieht die Musiklehrerin vor Aufregung kaum an, spielt aber „Over the rainbow“ trotzdem fehlerfrei auf der Gitarre. Die Lehrerin lobt sie und verwickelt das Mädchen in ein Gespräch: „Seit wann spielst du das Stück denn schon?“
Natürlich könne ein rund viertelstündiges Gespräch, ein kleiner Test im Notenlesen und Melodien nachsingen und das Vorspielen von zwei kurzen Stücken nur einen Eindruck vermitteln, sagt Schulleiter Brunswicker. „Aber wir versuchen, den Kindern mit diesem Verfahren gerechter zu werden als nur mit dem Notendurchschnitt.“ Der Druck auf die Kinder werde in den Grundschulen immer höher, die wachsende Fixierung auf Noten hält er für „unglücklich“. Die Zensuren allein seien gerade bei der Vielfalt der Berliner Grundschullandschaft nicht aussagekräftig.
Die Schulleiterin eines Gymnasiums in Steglitz-Zehlendorf sieht das ähnlich: Sie ist hier, um zu prüfen, ob auch für ihre Schule Aufnahmegespräche infrage kommen. „Ich war sehr beeindruckt“, sagt sie, „das Verfahren wird viel aussagefähiger.“ Natürlich macht es Mühe – aber die Schüler könnten viel besser zeigen, was sie wirklich können.
Jedes Gespräch wird genau dokumentiert, die Eltern sind immer dabei – schon um die Transparenz des Verfahrens zu gewährleisten. Und zur Beruhigung natürlich: Als der zwölf Jahre alten Marie* nicht mehr einfällt, seit wann sie in den Töpferkurs geht, hilft ihre Mutter nach. Das ist in Ordnung, findet Brunswicker: Die rund 20 Kollegen, die die Gespräche führen, seien prüfungserfahren und könnten gut einschätzen, was sich vor ihnen abspiele.
Auch sie können auf die Fragen der Eltern, wie gut die Chancen auf eine Aufnahme nach dem Gespräch stehen, jedoch nichts erwidern. Brunswicker und seine Kollegen werten die Gespräche nun aus. Anfang April bekommen die Familien Nachricht. *Namen geändert