Berlin: Außen Pentagon, innen Ahorn
Wo einst die Mauer stand, ist jetzt das Kanada-Haus entstanden. Es soll eine offene Botschaft werden
Der künftige Hausherr ist begeistert. „Dieses Haus passt zu uns“, sagt Paul Dubois und steigt über mit Baustaub bedeckte Bretterstapel und Kabelhaufen, während um ihn herum Arbeiter wuseln, Sägen kreischen und Hämmer dröhnen. Der graubärtige Mann mit dem offenen Lächeln im Gesicht und dem roten Bauarbeiterhelm in der Hand ist seit kurzem Botschafter Kanadas. Beim Baustellenbesuch staunt Paul Dubois, wie schnell aus dem Rohbau ein fast fertiges Gebäude geworden ist. Für ihn ist der repräsentative Bau nach Entwürfen kanadischer Architekten, der Ende Februar fertig sein soll, ein wenig wie das Land, das er repräsentiert: „Modern, aber nicht pompös.“
„Kanada-Haus“ heißt der 14 500-Quadratmeter-Bau mit Grundriss eines Fünfecks, eines Pentagons. Aber das Haus ist mehr als nur ein Botschaftsgebäude. Es ist ein weiteres Puzzlestück auf dem Weg zur Wiederherstellung des Leipziger Platzes in seiner historischen Form; es ist ein Modell für neue Formen öffentlich-privater Baukooperation; und es ist ein architektonisches Kunstwerk, das für Paul Dubois Innovation, Vielfalt und Offenheit so miteinander verbindet, wie es die Kanadier als ihr Markenzeichen ansehen.
Außerdem soll der Bau, selten genug für Botschaftsgebäude, rund um die Uhr öffentlich zugänglich sein. Für die Sicherheitsexperten der Botschaft ist das in Zeiten globaler Terrorangst ein Albtraum, für Paul Dubois ist es ein Symbol für die offene kanadische Gesellschaft. Das betont der Botschafter, während er durch die künftige kleine Ladenzeile mit offenem Innenhof im Erdgeschoss spaziert, die in Anspielung auf historische Expeditionen „Nordwest-Passage“ heißt und den Leipziger Platz mit der Ebertstraße verbindet. Hier, wo die Arbeiter letzte Hand an die Fassade aus kanadischem Marmor anlegen, hat am vergangenen Wochenende bereits ein Restaurant eröffnet. Gegenüber davon wollen Dubois und seine Leute ihr Land künftig in einem Medienraum präsentieren, der Besuchern offen stehen soll. Man kann kanadische Musik hören, Filme sehen und sich per Internet informieren, was das zweitgrößte Land der Erde noch zu bieten hat.
Vielfältige Anspielungen auf Kanada finden sich auch beim Aufstieg zu den künftigen Räumlichkeiten des Botschafters. Künstlerisch verfremdete Wetterkarten zieren das Treppenhaus um die runde „Timber Hall“, den Tagungsraum, den Arbeiter gerade mit kanadischem Ahorn auskleiden und für Internet-Konferenzen verkabeln. Ein Wasserfall vorm Eingang kann als Anspielung auf die Niagarafälle verstanden werden, und der wellenförmig gemusterte Marmor in der Empfangshalle vor dem großen Saal für festliche Empfänge kommt aus Ontario.
Den schönsten Blick werden künftig die Gäste haben, die den Botschafter in seinen Räumen im zehnten und elften Stock aufsuchen. Im Norden schweift der Blick vom Reichstag zum Potsdamer Platz. Dazwischen liegt der legendäre MacKenzie River. Oder zumindest eine Installation auf dem Dach des niedrigeren Gebäudeteils an der Friedrich-Ebert-Straße, die an den kanadischen Fluss erinnern soll.
Die Wohnungen und Büroräume darunter gehören übrigens nicht zur Botschaft. Die werden im Auftrag des Investors Kanada Haus KG, der den Bau errichtet hat, an Unternehmen und Privatleute vermietet. Das ist Teil der „Public Private Partnership“, der öffentlich-privaten Baufinanzierung: Der Boden gehört Kanada, den 40-Millionen-Euro-Bau hat der Investor errichten lassen. Kanada mietet knapp die Hälfte des Hauses, der Rest wird kommerziell vermietet. Nach 35 Jahren fällt der Bau in den Besitz Kanadas. So hat der Staat kein Risiko, und der Investor wird für das Engagement mit Gewinnmöglichkeiten belohnt. Von acht luxuriösen Privatwohnungen sind bislang drei vermietet, von sechs Büroflächen eine. Aber der Investor ist zuversichtlich, dass das Geschäft in Schwung kommt, sobald die Bauarbeiten im Februar beendet sind.
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