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Anmelder ist ein Verein, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
© imago/IPON

Gekaperte Proteste in Berlin: Außen Gelbweste, innen Reichsbürger

In Berlin sieht man vermehrt Demonstranten in gelben Westen. Dahinter stecken allerdings Reichsbürger.

Nun protestieren sie auch hier. Stehen in gelben Westen auf dem Rasen vorm Reichstag, beteuern ihre Solidarität mit den Aufständischen in Paris und rufen Passanten dazu auf, sich anzuschließen. Für Neugierige haben sie zusätzliche Westen mitgebracht. Eine Mitstreiterin fordert, den Reichstag zu besetzen, ein anderer ruft „Revolution!“. Der Wortführer stolziert mit französischer Flagge umher und verkündet: „Ihr müsst wütend werden!“

Was der Mann nicht erwähnt: Mit den Zielen der französischen Bewegung haben die Berliner Gelbwesten wenig gemein. Die regelmäßigen Proteste auf dem Platz der Republik werden von Reichsbürgern organisiert. Federführend ist eine Gruppierung namens „Staatenlos“, die seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Bei ihrem Wortführer handelt es sich um einen ehemaligen NPD-Kader, der wegen versuchten Mordes mehrere Jahre im Gefängnis saß.

Rüdiger Hoffmann heißt der Mann. Er gilt als umtriebige Figur in der Szene aus Reichsbürgern und sonstigen Verschwörungstheoretikern. Hoffmann glaubt, Deutschland sei von fremden Mächten besetzt, die Bundesrepublik nur eine Firma. Übers Internet fordert er seine Anhänger auf, die Handlungsfähigkeit des deutschen Reichs wiederherzustellen. Hoffmann warnte auch vor „subhumanen Völkerschaften“, die geschickt würden, um Deutschland zu überrennen.

Beim Protest am vorigen Sonnabend zählte die Polizei rund 100 Gelbwesten. Es werden bald sehr viel mehr sein, verspricht Rüdiger Hoffmann. Der gelernte Finanzkaufmann lebt eigentlich in der Nähe von Wittenburg, zweieinhalb Stunden Autofahrt nordwestlich von Berlin. Auch dort tritt er regelmäßig mit Gelbwesten auf.

Immer wieder vor Gericht

Im Gefängnis saß Hoffmann, weil er in den 1990ern einen Angriff Rechtsextremer auf ein Asylbewerberheim organisiert hatte. Bei diesem wurden Molotow-Cocktails geworfen. Das Landgericht verurteilte ihn wegen versuchten Mordes zu dreieinhalb Jahren Haft. Hoffmann, der damals noch den Nachnamen Klasen trug, nennt das Verfahren bis heute einen „politischen Schauprozess“, er sei doch bloß Mitwisser gewesen. Nach eigenen Angaben hat er durch die Zeit im Gefängnis eine „Hafttraumatisierung“ erlitten, wurde anschließend wegen Erwerbsunfähigkeit berentet.

Auch später stand er mehrfach vor Gericht, im Februar 2018 saß er kurzzeitig in der JVA Moabit, weil er zu einem Prozesstermin nicht erschienen war. Der Verfassungsschutz sagt, in Berlin fielen „Staatenlos“-Anhänger vor Gericht regelmäßig durch „Störungen, Gerangel und lautstarke verbale Ausfälle“ auf, teilweise seien sie gewalttätig.

Nicht nur in Berlin berüchtigt

Auch in seinem Heimatort gilt Rüdiger Hoffmann als Belastung. Allerdings hat die Gemeinde Wittenburg mit den Jahren gelernt, sich zu wehren. Damit er bei seinen Kundgebungen auf dem Marktplatz zumindest nicht von der Rathausempore predigen kann, versperrt die Gemeindeverwaltung die beiden Treppenaufgänge jeweils mit Bauzäunen, fixiert diese mit Stahlketten. Weil Anhänger Hoffmanns tagsüber durchs Rathaus zogen und Mitarbeiter bedrängt haben sollen, wurde am Eingang zudem eine Sicherheitsschleuse eingerichtet.

Auf der Wiese vorm Berliner Reichstag wollen die Reichsbürger an diesem Sonnabend eine Mahnwache abhalten, im Februar sollen große Proteste folgen.

Einmal versprach er Hilfe aus Moskau

Es wäre nicht der erste Versuch Hoffmanns, in Berlin eine Revolution anzuzetteln. Vor sechs Jahren rief er etwa dazu auf, sich massenhaft „vor den Reichstag zu begeben, um die Räumung des deutschen Bundestages durchzusetzen“. Damals war er vorab extra nach Moskau geflogen, verkündete seinen Anhängern von dort per Video, die russische Föderation werde ihre Bewegung unterstützen, das dortige Außenministerium sei bereits „zur Befreiung aktiviert“. Der Sturm seiner Gefolgschaft blieb damals aus. Auch in den Folgejahren missglückten seine Aktionen. Warum denkt er, dass es nun im Gelbwesten-Outfit gelingen wird?

Am Telefon ist Hoffmann freundlich. Er sagt, er habe damals einfach nicht gewusst, wie global das Netz seiner Gegner sei. Dies habe sich jedoch geändert: „Die Zeichen stehen auf Sturm.“ Dass auch Sahra Wagenknecht und Anhänger ihrer „Aufstehen“-Bewegung in gelben Westen auftreten, hält Hoffmann für „einen Witz und Gejammer“.

Sich selbst sieht er nicht als Reichsbürger, er bevorzugt die Bezeichnung „naturverbundener Umweltaktivist“. Tatsächlich hat sich Hoffmann mehrfach mit Umweltthemen befasst: Er vermutet etwa, dass Windräder in Wahrheit gar nicht selbst Strom erzeugen, sondern sich im Gegenteil nur drehen, weil sie mit Strom angetrieben werden. Alles Teil der großen Verschwörung.

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