Kenianer Mengich gewinnt: Ausgelassene Stimmung beim Halbmarathon
Von den deutschen Läufern ist keiner auf dem Treppchen gelandet. Schön war's trotzdem. Impressionen von der Laufstrecke und den Menschen links und rechts davon.
Der Sieger brauchte nicht mal eine Stunde für die gut 21 Kilometer des Berliner Halbmarathons: Der Kenianer Richard Mengich absolvierte die Strecke in 59:58 Minuten. Bester deutscher Läufer war Arne Gabius (LT Haspa Marathon Hamburg). Er wurde Vierter mit 62:45, damit hat er den geforderten Leistungsnachweis für die Marathon-Olympia-Nominierung erfüllt. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hatte eine Zeit von 66:30 Minuten vorgegeben. Schnellste Läuferin wurde Elizeba Cherono, die aus Kenia stammt aber für die Niederlande läuft. Sie war im Vorjahr Zweite und gewann nun in 70:43 Minuten.
Sportlich war der Lauf also interessant, aber auch atmosphärisch. Zwanzig Minuten, bevor die ersten Skater um die Siegessäule schnellen, ist am Großen Stern noch alles still. Hier, bei Kilometer Fünf, ist aber längst nicht alles fertig. Ein einziger Techniker verlegt eilig die Matten, über die alle 34.000 Läufer, Skater und Handbiker später rennen oder rollen sollen. Die Sensoren unter den Matten messen die erste Zwischenzeit. Passanten queren hastig die Straße, um gleich den besten Blick auf die Sportler zu bekommen, eine Gruppe Trommler rollt leere Ölfässer über den Asphalt. Karl Stark hat sie alle im Blick: "Ich bin dafür zuständig, dass die Laufstrecke nicht behindert wird und dass keine Autos oder Fahrräder die Strecke befahren". Stark kennt sich aus. Seit zehn Jahren sorgt der 79-Jährige beim Halbmarathon, beim Vollmarathon und beim Radrennen für freie Wege. Sein persönliches Highlight? "Am besten sind die Skater. Das geht so schnell und die haben ja immer richtig Taktik drauf, wie die sich bewegen! Das ist wunderschön."
Als das Polizeiauto mit dem rot-weißen Wimpel über die Strecke fährt, heißt das: Gleich geht's los. Und plötzlich wird alles ganz laut. Die Matten piepen bei jedem einzelnen Sportler, die Trommler spielen sich warm, die bunten Rollen der Inlineskates machen ein rauschendes Geräusch auf dem Asphalt. Jedes Mal, wenn Skater in die Straße des 17. Juni einbiegen, bellt im Gestrüpp ein Hund. Karl Stark lacht: "Das ist der Bruno, der Kläffer. Der läuft nebenher einen ganzen Marathon mit." Die Skater nähern sich der Zeitmarkierung, heben die Arme, bremsen vor der Schwelle ab und beschleunigen danach wieder. Manche Skater kommen ins Schwanken, zwei fallen. Sie rappeln sich schnell wieder auf, weiter geht's.
Love, Peace and Harmony
Kurz nach zehn wird die Trommelgruppe lauter. "Da ist noch Luft nach oben", so die Einschätzung von Gruppenleiter Klaus Staffa. Für den Marathon haben die Musiker extra neue Rhythmen einstudiert. Die ersten Läufer erreichen Kilometer Fünf. Es sind dünne, schnelle Spitzenathleten, die den Blick nicht von der Strecke nehmen. Zu der Zeit kramt Irmgard Ceczka am Rand der Strecke noch in ihrem Stoffbeutel. Rasseln, Schlaghölzer und andere Krachmacher werden gleichmäßig auf die Familie verteilt. Sie holt Plakate raus, darauf steht "Toll Teresa" und "Super Simon". "Das müssen kurze Sprüche sein, für lange Sätze haben die beim Rennen doch gar keine Zeit!", sagt Irmgard Ceczka. Sie ist aufgeregt, ihre Tochter Teresa läuft zum ersten Mal mit, Sohn Simon ist schon einmal Marathon gelaufen.
Der Halbmarathon ist zuhause schon lange ein Thema. Neben richtigem Essen und festen Trainingsplänen sei auch das Outfit wichtig, erinnert sich die Mutter, "damit wir Teresa und Simon dann auch sehen". Kaum einen Satz kann sie zu Ende sagen, ständig kommen neue Freunde und Bekannte, um die Läufer zu unterstützen. Sie kommen jedes Jahr her, allein schon der Stimmung wegen. Ein paar Meter weiter holen die Trommler das Megafon heraus:
"Champions of the Marathon! Keep it going, keep it strong!", tönt es zu treibenden Trommelrhythmen. "Wir haben vor Ostern eine Woche Pause gehabt", erklärt Staffa und lacht, "aber jetzt erinnern die sich langsam!" Das kommt an bei den Läufern. Auf verschwitzten, angestrengten Gesichtern breitet sich ein Lächeln aus, wenn die Sportler an der Gruppe vorbeilaufen. Die Trommler singen, reißen die Arme hoch, die Läufer tun es ihnen nach, klatschen, und zeigen eine Daumen nach oben. Ein Läufer kommt lachend auf Staffa zu, umarmt ihn, klatscht einmal auf eine Ölfasstrommel und läuft weiter. Hinter ihm läuft ein Sportler, das T-Shit in seiner Hand: "Love, Peace, and Harmony", steht in blauer Farbe und schon halb weggeschwitzt auf seinem Rücken. "Wir bekommen so viel zurück. Wir laden hier unsere eigenen Batterien auf", sagt eine Trommlerin begeistert.
Dreitausend Wasserbecher pro Stand
Einige hundert Meter weiter, am S-Bahnhof Tiergarten türmen sich links und rechts der Straße schon die Plastikbecher. Petra Liesinger und ihr Team versorgen die Sportler hier mit Wasser. 3000 Becher gingen an so einem Halbmarathon schon einmal über den Tisch, schätzt sie. Sie ist seit Jahren dabei, um zu "sehen, wie sich die Leute abrackern", sagt sie mit einem Augenzwinkern. Besonders die älteren Leute findet sie bemerkenswert. Sie würde gern selbst mitlaufen, kann es aber aus gesundheitlichen Gründen nicht. Abends geht sie zufrieden nach Hause: "Man merkt es schon in den Knochen, aber man hat ein gutes Werk getan."
Einen Becher Wasser könnten hier auch einige Anwohner vertragen. Zu den S-Bahnhöfen müssen sie im Zweifel nämlich einen längeren Spaziergang einplanen. Kurz hinter der Wasserstation ist der S-Bahnhof Tiergarten, oben fahren gemächlich die Bahnen, unten ist der Eingang blockiert. Die nächste Alternative ist der Bahnhof Zoologischer Garten. Auch wenn die Verkehrsbehinderungen im ganzen Innenstadtbereich schon im Voraus angekündigt wurden, gibt es Lücken. Passagiere des Busses 106 von der Seestraße zum Südkreuz bekamen an der Haltestelle Hansaplatz eine Absage - Endhaltestelle, regulär fahren die Busse erst gegen 15.30 Uhr wieder. Aushänge gab es an den Haltestellen nicht. "Eine Frechheit", klagt eine ältere Frau an der Bushaltestelle.
Aber auch für manche Läufer endet die Reise früh. Zwei Läufer, noch verschwitzt und mit Startnummern auf dem Bauch, sitzen sich in der U2 gegenüber. Keine Finisher mehr, sondern Leidensgenossen. Der eine ist umgeknickt, der andere befürchtet einen Muskelfaserriss in der Wade- "Und das ausgerechnet zum Beginn der Saison!". Bedrückt sitzen sie auf den Bänken. "Ich schäme mich, jetzt in der Bahn zu sitzen", sagt der Erste traurig. Die Sonne scheint durch die Fenster der U-Bahn, der zweite Läufer hält sein Gesicht in den Schein und zuckt versöhnlich die Schultern: "Dann eben nächstes Jahr". Langstreckenläufer mit Ausdauer eben.
Susanne Romanowski
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