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Fast schon abgehoben. Robert Böhme (rechts) und sein Team.
© PTS/Alex Adler

Wissenschaft in Berlin: Aus Mahlsdorf zum Mond

Die "Part Time Scientists" wollen einen Roboter auf den Mond schicken. Das sei gar nicht so teuer, sagen sie – und wollen gleich beweisen, was man aus Mondstaub machen kann. Ein Besuch in Berlin-Mahlsdorf.

„Die Erde“, sagt Robert Böhme, „ist kein guter Ort zum Leben. Man kommt einfach so schlecht weg.“ Der Mond hingegen! Optimal gelegen. Biete alles, was es brauche, Ressourcen satt. Selbst Wasser. Das wüssten ja die wenigsten.

Der Mann kommt sofort in Fahrt. Muss er wohl auch, der Chef und Gründer der Part Time Scientists hat schließlich Großes vor. Ihm geht es um die Nachhaltigkeit, auch im All. Von der alten „Flaggenpolitik“ der wetteifernden Großmächte in der Raumfahrt hält er nichts. Dabei redet er mit einem Eifer, der ansteckend ist. Jeder Satz ein Statement.

Zuweilen platzen sie aus ihm heraus, wie aus einer Anleitung für amerikanisches Denken. „Wir wollen nicht einfach nur einen Preis gewinnen, wir wollen den technologisch höchsten Mehrwert schaffen“, sagt er. Oder: „Viele Menschen verschwenden ihr Potential in bestehenden Systemen und Wiederholungen. Raumfahrt ist Innovation. Und Weltraumforschung der Schlüssel zu vielen aktuellen Menschheitsproblemen.“

Nicht schlecht für einen 29-jährigen IT-Experten, der von sich selbst sagt, dass ihn für die Aufgabe, der er und sein Team sich stellen, eigentlich nichts qualifiziert. Nichts außer dem Willen, es zu schaffen. Woher sich dieser Wille speist, woher die Begeisterung für den Weltraum rührt, kann Robert Böhme, im Gegensatz zu so ziemlich allem anderen, nicht genau sagen. Er sei einfach schon immer fasziniert gewesen vom All. Und natürlich habe er mit Lego-Steinen Raketen gebaut, Star Trek geschaut („Aber das Original mit Captain Kirk!“) und Babylon 5 („Hammer!“). Und als er dann vor sieben Jahren von einem Freund den Hinweis zum Google Lunar X Prize bekommen habe, habe er einfach beschlossen, es zu versuchen.

Es, das ist nach den Spielregeln des vom Software-Giganten gesponserten Preises, folgendes: Ein Gefährt, den sogenannten Rover, zu konstruieren, zu bauen und zum Mond zu schicken. Landen, 500 Meter fahren, Bilder in HD-Qualität aufnehmen und zur Erde senden soll. Höchstens zehn Prozent der Kosten dürfen durch staatliche Organisationen gedeckt werden. Denn eines der Hauptanliegen der Mission ist es, zu zeigen, dass sich die Kosten für die Raumfahrt stark reduzieren lassen.

Während die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa für viele Milliarden zum Mars möchte, glauben Robert Böhme und sein Team, ihre Mond-Mission für knapp 30 Millionen Euro realisieren zu können. Und damit unterscheiden sie sich wesentlich von den anderen Teams, denen auch zugetraut wird, den Google Lunar X Prize zu gewinnen.

"Raumfahrt kann finanzierbar und nachhaltig sein"

Genaue Zahlen kennt keiner, aber rechnen können sie, die Weltraumjäger aus Mahlsdorf. Und die Konzepte der Konkurrenz bewerten. Und so schätzen sie, dass sich die Kosten der anderen Teams leicht auf bis zu 100 Millionen Dollar aufsummieren lassen. Eine Zahl, die Robert Böhme ärgert. Nicht, weil er sich chancenlos wähnt. Sondern weil er der festen Überzeugung ist, dass das Ziel ein anderes sein muss. „Es geht schließlich darum, zu zeigen, dass Raumfahrt finanzierbar und nachhaltig sein kann“, sagt er. „Wenn wir es für 30 Millionen schaffen, schafft es der Nächste vielleicht für 20 Millionen. Und jeder kann der Nächste sein“, sagt Böhme.

Als Zuckerstück ihrer Mission haben er und sein Team sich zum Ziel gesetzt, eine Art 3D-Drucker mit auf den Mond zu nehmen. Der soll vor Ort ein kleines Zahnrad herstellen. Aus Mondstaub. Und das wäre nichts weiter als eine ziemliche Sensation. Ein „proof of concept“, der belegen würde, dass es technologisch möglich ist, Maschinen auf fremden Himmelskörpern zu bauen. Ohne die dafür nötigen Ressourcen aufwändig von der Erde abtransportieren zu müssen. Reale Science Fiction. Made in Mahlsdorf.

Dass sie in Mahlsdorf gelandet sind, sei übrigens purer Zufall gewesen, sagt der Chef. Bis zum Anfang dieses Jahres war das Projekt noch dezentralisiert. Als reines Freizeit-Projekt gestartet (daher der Name) waren die Jungs von Beginn an auf Kooperationen angewiesen. „Raumfahrt ist ein kleines Dorf“, sagt Böhme. Und auf dem Dorf hilft man sich. Als sich die Part Time Scientists auf der ILA 2010 erstmals der Öffentlichkeit präsentierten, hatten sie ihren winzigen Stand direkt gegenüber dem des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aufgebaut. Die zeigten sich schnell begeistert und boten ihre Unterstützung an. Andere Forschungsgruppen, Universitäten und Unternehmen folgten.

Inzwischen kann sich das Team, das längst von sechs Gründern auf einen weltweit agierenden Kreis von mehr als 50 Personen angewachsen ist, zwei Festangestellte leisten. Und die Räume in Mahlsdorf. „Sucht was für 1500 Euro Monatsmiete“, hätte er seinen Jungs gesagt. In Mahlsdorf war noch Platz. Auf 177 Quadratmetern bastelt das Team dort an seinem Traum. Demnächst soll noch eine zusätzliche Halle angemietet werden, direkt nebenan. Dort wollen sie dann die Mondlandung ihres Rovers simulieren.

2017 soll es soweit sein

Man kann gar nicht anders, als ihnen den Sieg zu wünschen. So begeistert wie sie sind. So begeisternd wie sie sind. Aber selbst wenn ihnen eines der beiden amerikanischen Teams, die neben den Part Time Scientists als Favoriten gelten, den eigentlichen Preis wegschnappen würde: Robert Böhme würde seine Rover trotzdem fliegen lassen. Denn er ist von der Richtigkeit seiner ganz eigenen Mission überzeugt. Ganz abgesehen davon, dass er und sein Team auch dann noch die ersten Europäer wären, die auf dem Mond landen. Die ersten Deutschen. Und die ersten Berliner. 2017 soll es soweit sein.

Bis dahin gibt es noch viel zu tun und zu testen. Was er sich wünsche, fragt man Robert Böhme zum Abschied noch. Ob er ein Anliegen an die Stadt Berlin habe oder an den Bund? Er könnte sie am heutigen Montag gleich mal persönlich formulieren: Berlins Regierender Michael Müller geht am Vormittag auf Start-Up-Tour und schaut auch bei den Mondmännern in Mahlsdorf vorbei. Aber nein, sagt Böhme nach kurzem Überlegen, er habe eigentlich kein Anliegen. Sponsoren wären natürlich nie verkehrt. Und zwei weitere Partner könnte ihre Mission noch vertragen.

„Am liebsten wäre mir ein technologischer Partner, der für beide Seiten einen Mehrwert generiert“, sagt Böhme. Da ist es wieder, sein Lieblingswort, sein Leitmotiv. Dann kommt ein Kollege hinein, mit einem Laptop in der Hand. Beide diskutieren eifrig, wägen verschiedene Optionen ab. Ob man fragen dürfe, worum es dabei geht? „Natürlich“, antwortet Böhme, „wir wollen Pizza bestellen.“

Weitere Infos unter mission-to-the-moon.de und ptscientists.com.

Ilja Behnisch

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