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Gitter
© Mike Wolf

Jugendarrest Berlin: Aufstehen um 6:45 Uhr

Gestern war öffentlicher Besuchstag im einzigen Jugendarrest Berlins. Im dörflichen Lichtenrade.

Lichtenrade sieht aus wie ein kleines Dorf: Beschaulich, friedlich und weit weg von den bekannten Problembezirken der Stadt. Ausgerechnet hier liegt der einzige Jugendarrest Berlins. Schräg gegenüber verbringen Ältere ihren Lebensabend im Altersheim, ringsum sind Wohngebäude. Laut sei es hier oft, sagt ein Lichtenrader Taxifahrer, weil die Freundinnen der jugendlichen Insassen sich durch die vergitterten Fenster mit ihren Liebsten unterhielten. Damit das Geschrei nicht alles ist, was die Nachbarschaft von der Anstalt mitbekommt, wurde gestern ein „Tag der offenen Tür“ veranstaltet.

Rund 1300 Jugendliche durchlaufen den Arrest in Lichtenrade jedes Jahr. Bis zu vier Wochen Arrest können Jugendrichter verhängen – als Erziehungsmaßnahme, nicht als Strafe. Dafür stehen 46 Plätze in zwei Gebäuden zur Verfügung. Nur vier Betten sind für weibliche Straftäterinnen reserviert.

Die interessierten Besucher trafen zum Beispiel auf den 16-jährigen Andreas J. Der rothaarige Junge aus Adlershof sitzt erst seit Montag seine Strafe ab. Wie die meisten seiner Arrest-Genossen ist er nicht zum ersten Mal eingesperrt. Er sei wegen schwerer Körperverletzung hier, erklärt er. „Ist nicht schlimm hier“, findet Andreas. Die anderen Arresttanten stimmen ihm zu. „Nur das Mittagessen ist zäh wie Gummi und das Brot hart wie Stein.“ Außerdem hat er während des Arrestes schon neue Freunde gefunden. Dazu gehört der gleichalte Pascal F., der nach eigenen Angaben wegen schweren Diebstahls sitzt. Der Dritte im Bunde, Daniel M., will einen Polizeibeamten niedergeschlagen haben. Nach dem Arrest wollen die drei weiterhin befreundet bleiben.

Körperverletzung und Eigentumsdelikte sind die häufigsten Delikte, wegen derer ein Jugendlicher nach Lichtenrade geschickt wird. „Dem Weg zu uns ging das härteste Zuchtmittel voraus, das ein Jugendrichter anwenden kann“, erklärt Dieter Dreher. Der 58-Jährige ist bereits seit 1979 Dienstleiter in der Arrest-Anstalt. Es gibt eine strikte Tagesordnung: Aufstehen um 6:45 Uhr, Einschluss zwischen 18 und 21 Uhr. Die meisten der Insassen dürfen das Gelände morgens verlassen, um zur Schule zu gehen. Den Rest des Tages verbringen sie hier.

„Wir sind regelmäßig so ausgebucht, dass wir Neuankömmlinge wieder wegschicken müssen“, sagt Dreher. Die müssen sich dann später erneut melden. Und der erzieherische Effekt? „Wir kommen eh alle wieder“, sagt Andreas J., „aber ist doch egal.“

Johannes Boie

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