BER-Aufsichtsrat: Aufsichtsrat billigt Finanzspritze für Hauptstadtflughafen
Der BER-Aufsichtsrat hat die geplante Finanzspritze von 1,1 Milliarden bewilligt. Mit seinem Erweiterungs-Vorstoß blitzt Flughafenchef Hartmut Mehdorn ab. Weitere 779 Millionen, die er auch beantragt hatte, wurden nicht genehmigt.
Flughafenchef Hartmut Mehdorn soll von Berlin, Brandenburg und dem Bund weitere 1,1 Milliarden Euro erhalten, um den künftigen Hauptstadtairport fertig zu bauen. Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft hat am Montag in Schönefeld die neue Milliardenspritze für den BER gebilligt, mit der die Kosten auf 5,4 Milliarden Euro steigen. Dagegen blitzte Mehdorn mit seiner jüngsten Forderung nach weiteren 776 Millionen Euro ab, um wegen absehbarer Kapazitätsengpässe den BER kurzfristig zu erweitern. Der Aufsichtsrat gab lediglich fünf Millionen Euro Planungsmittel frei, um bis September verschiedene Erweiterungs-Varianten zu untersuchen.
Mehdorn hatte allein 200 Millionen Euro für die Sanierung und Weiternutzung des Schönefelder Abfertigungsgebäudes verlangt. Die neuen Forderungen waren zuvor im Abgeordnetenhaus, im Potsdamer Landtag und im Bundestag auf scharfe Kritik gestoßen. Zur 1,1-Milliarden-Spritze sagte Klaus Wowereit, Berlins Regierender und Aufsichtsratschef: „Der Beschluss fiel einstimmig, und das ist auch Konsens.“ Die Vorlage sei intensiv geprüft worden. Allerdings gab es bis zuletzt Widerstände aus Brandenburg, wo im September Landtagswahlen sind. Doch lenkten die Potsdamer am Ende ein, da nun die Prämisse klar sei, wie es hieß. „Mehr Geld bis zur Fertigstellung gibt es nicht.“ Mehdorn selbst sagte: „Wir sind sicher, mit dieser Summe den Flughafen Klassik, also so wie er geplant ist, fertig zu bauen.“ Er bestätigte erstmals, dass dafür eine Eröffnung Ende 2015/Anfang 2016 kalkuliert wird. Dies sei eine Planungsannahme, kein Inbetriebnahmetermin, betonte Mehdorn. Jedes Jahr Verzögerung kostet nach Flughafenangaben 368 Millionen Euro. Die 1,1 Milliarden Euro teilen sich laut Mehdorn zu jeweils einem Drittel für den Bau, den Schallschutz und einen vorsorglichen Puffer auf. Mit dem Beschluss hat Mehdorn auch grünes Licht, 2015 die vom jetzigen Schönefelder Flughafen genutzte Nordbahn zu sanieren.
Die BER-Kostenexplosion alarmiert die Politik
Die Milliarde muss von den Parlamenten Berlins, Brandenburgs und dem Bundestag beschlossen und von der EU in Brüssel genehmigt werden. Wowereit rechnet damit, dass es wie bei den letzten 1,2 Milliarden Euro in einem einfachen Verfahren, einem so genannten Private-Investor-Test, geschehen kann, kein Beihilfeverfahren nötig ist.
Die BER-Kostenexplosion alarmiert die Politik. Der Piraten-Abgeordnete Martin Delius, Chef des BER-Untersuchungsausschusses im Abgeordnetenhaus, forderte, Mehdorn die Zuständigkeit für die BER-Fertigstellung zu entziehen. „Hartmut Mehdorn ist der Falsche, um den BER fertig zu bauen“, sagte Delius dem Tagesspiegel. So sei entweder denkbar, dem Flughafenchef einen nicht untergeordneten, sondern gleichberechtigten technischen Geschäftsführer zu Seite zu stellen, der den Bau verantwortet. Eine andere Möglichkeit sei, eine Projektgesellschaft aus der Flughafengesellschaft herauszulösen, die die Fertigstellung des Airports verantwortet. Delius sagte weiter, zum jetzigen Zeitpunkt sei es „verantwortungslos“, über eine Erweiterung des BER nachzudenken. Ein „Luxusproblem“ nannte er die Debatte um die Kapazität: „Es geht nicht darum, ob der BER womöglich seine Aufgaben nicht erfüllen kann – sondern darum, ob es ein bisschen enger wird oder ein bisschen mehr Platz ist.“
Brandenburgs Grünen-Fraktionschef Axel Vogel warnte: „Der Flughafen wird zum Fass ohne Boden.“ Wenn der BER 2016 eröffne, werde er allein Stillstandskosten von 1,6 Milliarden Euro verschlungen haben. Verantwortlich dafür seien die Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Wowereit und Matthias Platzeck, der frühere Regierungschef in Brandenburg.
Der Flughafen wird immer teurer und trotzdem schon am Start zu klein sein.
Er wird teurer und teurer und teurer – der BER-Flughafen. Aktuell kann Flughafenchef Hartmut Mehdorn nach dem grünen Licht des Aufsichtsrates den Etat um 1,049 Milliarden Euro auf 5,4 Milliarden Euro erhöhen. Nur, um den Flughafen fertig bauen zu können. Erweitert man ihn, würde die Summe wohl auf über acht Milliarden Euro steigen.
Planungsänderungen
Mehdorn bleibt bei diesen Summen gelassen. Vergleichsweise sei der BER ein billiger Flughafen, argumentiert der Chef unermüdlich. Der Flughafen sei inzwischen doppelt so groß geworden wie ursprünglich geplant. Damit werde er logischerweise auch teurer, sagt Mehdorn.
In der Tat ist der Terminal von einst geplanten 220 000 Quadratmeter auf 340 000 Quadratmeter erweitert worden. Verdoppelt hat sich die Fläche damit aber nicht. Nachträglich ins Bauprogramm gekommen sind die beiden Piers, die im Norden und Süden mit dem Hauptterminal verbunden sind, sowie die Pavillons am Hauptterminal mit weiteren Abfertigungsflächen. Auch die doppelstöckigen Fluggastbrücken, die zunächst – wie auf den meisten Flughäfen – nur mit einer konzipiert waren, waren eine teure Änderung. Durch den Doppelstock-Betrieb vereinfacht sich das Umsteigen, weil Passagiere nicht durch Kontrollen müssen.
Auch durch das Verschieben der Andockstation für das Riesenflugzeug A380 – das zunächst gar nicht kommen wird – an eine andere Position haben sich die Wege im Terminal verändert, wozu die Ebenen angepasst werden mussten, was teuer war. Und die – bis heute nicht funktionierende – Entrauchungsanlage musste deshalb erweitert werden. Nicht vorgesehen waren in der Ursprungsplanung auch die jetzt installierten Laufbänder im Hauptterminal und im Südpier. Ins Geld gegangen sind ferner die Änderungen bei den Shopflächen hinter der Sicherheitskontrolle, die auf Wunsch des Flughafens vergrößert worden sind, um mehr Geschäfte unterbringen zu können, was die Einnahmen durch Vermietung steigert. Die Sicherheitskontrolle musste deshalb weiter in den Abfertigungsbereich gerückt werden.
Kapazität
Trotz der erfolgten Vergrößerung wird der BER bereits bei Inbetriebnahme seine Kapazitätsgrenze erreicht haben. Für 27 Millionen Passagiere im Jahr ist er konzipiert – 2013 zählte man in Schönefeld und Tegel bereits 26,3 Millionen. Und auch in diesem Jahr steigen und steigen die Zahlen. Eine weitere Zunahme am BER wird erwartet, weil dort auch der Umsteigeverkehr zunehmen wird.
Dabei waren die Planer großzügig gestartet. Mitte der 90er Jahre flogen von und nach Berlin rund elf Millionen Menschen. Der damals BBI genannte neue Flughafen wurde zunächst für 17 Millionen Fluggäste ausgelegt. Es gab nicht wenige Stimmen, die den Planern damals vorwarfen, größenwahnsinnig zu sein. Nachdem der Verkehr aber weiter zugenommen hatte, mussten die Kapazitäten schon in der Planungs- und Bauphase erweitert werden. Durch kleine Umbauten – und auch einige Unannehmlichkeiten für die Passagiere – könnte die Kapazität der jetzigen Anlage vielleicht auf 30 Millionen Fluggäste erweitert werden. Dann wäre es so eng wie jetzt in Tegel.
Schönefeld-Alt
Kurzfristig setzt Mehdorn auf die alten Abfertigungsanlagen in Schönefeld, die er weiter nutzen will. Er darf nun planen, soll dem Aufsichtsrat dann verschiedene Varianten vorlegen. Er hat den Umbau mit rund 200 Millionen Euro veranschlagt. Der Aufsichtsrat hält auch eine „Pinselsanierung“ für möglich, hieß es. Sieben bis neun Millionen Passagiere könnten dann zusätzlich abgefertigt werden. Der Nachteil: Zwischen dem neuen Terminal und den alten Anlagen gibt es keine direkte Verbindung. Passagiere, die den Terminal wechseln wollen, müssten mit Bussen transportiert werden – wahrscheinlich über die Autobahn. Zudem müssten die Fluggäste frühzeitig informiert sein, von welchem Terminal aus ihre Maschine startet. Dies funktioniert allerdings auch auf anderen Flughäfen. Flugzeuge, die weiter an den bisherigen Gebäuden abgefertigt würden, hätten allerdings lange Rollwege – vor allem zur südlichen Bahn, die fast vier Kilometer entfernt ist. Passagiere, die mit dem Zug kommen, könnten bei der Fahrt zum alten Terminal weiter die S-Bahn mit Halt im Bahnhof Schönefeld nutzen, der Airport-Express und Regional- sowie Fernbahnen halten jedoch nur im BER-Bahnhof unter dem Terminal.
Satelliten
Die Planer hatten vorgesehen, den BER durch zwei Gebäuderiegel auf dem Vorfeld zu erweitern, Satelliten genannt. Ihr Bau ist genehmigt, Pläne gibt es allerdings noch nicht. Um Kosten zu sparen, hatte der Flughafen auf den Bau eines Tunnels vom Hauptterminal zu den Satelliten verzichtet. Jetzt muss entweder das Vorfeld wieder aufgerissen werden, oder aber es gibt eine Brückenverbindung. Unklar ist ferner, wie der zusätzliche Bau genutzt werden würde: nur für Umsteiger, die nicht kontrolliert werden und auch kein Gepäck mit sich schleppen oder auch für ankommende und abfliegende Passagiere. Für die gibt es bisher nur im Hauptterminal eine Kontrollstelle und Gepäckbänder, die nicht beliebig erweiterbar sind. Nach Angaben der Planer können aber Wege geschaffen werden, die eine Kontrolle und Gepäckaufgabe auch im Satelliten ermöglichen – an den Anlagen im Hauptterminal vorbei.
Regierungsterminal
Verspätet hat sich auch der Bau des Terminals für die Bundesregierung. Nach derzeitigem Stand soll es frühestens 2017 fertig sein. Und insgesamt 310 Millionen Euro kosten. Weil Tegel ein halbes Jahr nach BER-Inbetriebnahme geschlossen werden muss, wollte die Bundesregierung vorübergehend ins alte Schönefelder Terminal ausweichen, das nun von Mehdorn beansprucht wird. Noch gibt es hier keine Lösung. In der Sitzung, reagierten die Bundesvertreter aber offen.
Neuer Neubau
Forderungen, den BER-Bau einzustellen und woanders ganz neu zu bauen, haben keine Chance. Selbst ein Standort wie Sperenberg würde eine Planungs- und Bauzeit von etwa 20 Jahren erfordern. So lang könnten in Tegel weder die Anwohner noch der Flughafen durchhalten. In Schönefeld wären zudem Milliarden versenkt. Allein die Bahnverbindung mit Bahnhof hat fast 650 Millionen Euro gekostet und wäre selbst bei einer anderen Nutzung der Gebäude fast nutzlos. Ein Neubau woanders würde weitere Milliarden kosten. Und niemand könnte garantieren, dass dann am Ende auch alles funktioniert.
Karin Christmann, Thorsten Metzner