Berlin: Auf die Plätze, fertig – EM
Berlin war letzter verbliebener Bewerber und hat den Zuschlag für das Leichtathletik-Großereignis 2018 bekommen. Politik und Wirtschaft freuen sich. Bei Veranstaltern und Vermarktern sind nun Ideen gefragt, um die Ränge voll zu bekommen.
Berlins Sportfans können sich freuen: Die Stadt hat, wie nicht anders zu erwarten, den Zuschlag für die Ausrichtung der Leichtathletik-Europameisterschaft 2018 bekommen. Berlin war aber auch der letzte verbliebene Bewerber. Der europäische Leichtathletikverband EAA entschied sich am Sonnabend in Zürich für die Stadt, und der Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes Clemens Prokop freute sich wie der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Sportsenator Frank Henkel. In welcher Woche in fünf Jahren die Sportelite Europas sich im Olympiastadion messen wird, steht noch nicht fest. Während die einen nun mit unzähligen Touristen und Mehreinnahmen für die Stadt rechnen, werden sich die Veranstalter damit auseinandersetzen müssen, wie sie die Stadien denn auch kameraattraktiv voll bekommen.
„Berlin hat uns mit einer eindrucksvollen interaktiven Präsentation begeistert. Wir sind überzeugt, dass die Europameisterschaften 2018 in Berlin zu einem Leichtathletik-Fest werden“, sagte EAA-Präsident Hansjörg Wirz am Sonnabend. Erst 2009 hatte Berlins WM im Olympiastadion mit dem alten ( und vielleicht neuen) Sympathieträger-Maskottchen Berlino das Publikum begeistert.
Ursprünglich hatten sich elf Städte für die Ausrichtung interessiert, darunter die früheren WM-Städte Paris und Rom. Nachdem auch Budapest seine Kandidatur frühzeitig zurückgezogen hatte, war nur noch Berlin im Rennen. Die anderen fanden die EM zu wenig reizvoll, finanziell wie sportlich, weil sie auch im Schatten von Veranstaltungen wie der WM und den Olympischen Spielen stehe.
In Deutschland wurde das Votum indes auch laut Sportinformationsdienst SID erfreut aufgenommen: „Diese Vergabe zeigt wenige Tage nach der Entscheidung für die Handball-WM in Deutschland und Dänemark erneut, wie sehr wir weltweit als Ausrichter von Sportgroßveranstaltungen geschätzt werden“, sagte Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes. Er sah sich nun erneut in den Bemühungen um Olympische Winterspiele bestärkt: „Mit Blick auf München 2022 sagen wir: Wenn nicht jetzt, wann dann.“ Der Geschäftsführer der Olympiastadion-GmbH Joachim E. Thomas sagte dem Tagesspiegel am Sonnabend, es habe sich bewährt, dass das Stadion neben einer Fußball- auch eine Leichtathletikarena und dank Sanierung und Umbau zur WM 2009 eines der modernsten Stadien Europas sei.
2018 werden dort sechs Tage lang rund 1400 Sportler und 700 Offizielle aus 50 Ländern sowie 2200 Medienvertreter erwartet, die 47 Disziplinen verfolgen werden.
Zieht man die Presse- und Sponsorensitzplätze ab, so muss der Ausrichter, der Europäische Leichtathletikverband EAA, täglich weit mehr als zweimal so viele Tickets verkaufen wie bei den kommenden EMs im Züricher Letzigrund (25 000) und im Olympiastadion in Amsterdam (30 000 Zuschauer). 2012 waren 162 532 Zuschauer zu den fünf EM-Tagen in Helsinki gekommen. Kenner wissen, dass die Berliner zwar ihren Marathon lieben und auch das eintägige Istaf, aber selbst als Superstar Usain Bolt 2009 in Berlin seinen berühmten Flitzebogen-Pfeil in den Himmel schickte, war das Stadion längst nicht voll. Auch bei der WM in Moskau im Sommer verdarben Lücken in den Reihen Sponsoren und TV-Publikum die Laune. Stadion-Chef Thomas zufolge müsse Berlin nun die Klaviatur des Stadt- und Eventmarketings spielen. „Sehr attraktiv ist etwa die Inklusion von Spitzenathleten aus dem Behindertenleistungssport wie zuletzt beim Istaf“, sagt Thomas. Berlin werde darüberhinaus sicher viele Veranstaltungen rund um die EM konzipieren und international vermarkten wie Trendsport-Showwettbewerbe oder Wettstreite nichtolympischer, aber artverwandter Disziplinen.
Wie der Olympiastadion-Chef rechnen auch der SPD-Sportexperte Dennis Buchner und der Hotel- und Gaststättenverband mit einem unter dem Strich wirtschaftlichen und imagemäßigen Gewinn für die Stadt. Laut Dehoga-Vize Klaus-Dieter Richter sei das Leichtathletik-Publikum fair und finanzstark, dazu keine Hooligan-Klientel und als Kundschaft sehr beliebt.
Sprinter, Werfer, Springer: Es wird das dritte Mal sein, dass nach 1986 in Stuttgart und 2002 in München eine Leichtathletik-EM hierzulande stattfindet. Bei der WM 2009 waren für die neun Wettkampftage zwar mit 400 000 Tickets so viele wie nie verkauft worden. Dennoch wurde das ambitionierte Ziel von einer halben Million Eintrittskarten vor halbleeren Rängen verfehlt. Riesig war die Resonanz bei den Gratis-Straßenveranstaltungen. 1,3 Millionen Zuschauer sahen die Marathon-Läufe, etwa 200 000 feuerten Unter den Linden die Geher an. Für Berlins Istaf-Tag werden seit Jahren mehr als 50 000 Tickets verkauft.
Bei Leichtathlet Julian Reus ist die Vorfreude auf das Sportereignis 2018 jedenfalls groß. „Was für geile Sportjahre in Deutschland!“, schrieb der Sprinter beim Internetdienst Twitter. „Herrlich, ich freue mich wie ein Honigkuchenpferd.“ Reus, der 2012 in Helsinki EM-Silber mit der Viermal-100-Meter-Staffel gewann, könnte in Berlin mit dann 30 Jahren noch ein Medaillenkandidat sein. Wie Christoph Lemaitre: Der vierfache Europameister und WM-Zweite von 2011 ist der bisher einzige weiße Sprinter, der 100 Meter unter zeh10 Sekunden lief. 2018 wäre der Franzose dann 28 Jahre alt.
Bleibt zu hoffen, dass Robert Harting, Diskus-Olympiasieger, amtierender Welt- und Europameister sowie Publikumsliebling, 2018 noch aktiv und Weltspitze ist.
Dominik Bardow, Annette Kögel
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