Wahlbeteiligung: Auf dem Weg zum Negativrekord?
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass die Wahlbeteiligung seit 1946 fast durchweg gesunken ist. Ob der Negativrekord von vor fünf Jahren noch unterboten wird?
Das beste Ergebnis schafften die Berliner direkt nach dem Zweiten Weltkrieg: Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 1946 gaben 92,3 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Seitdem ging es fast durchweg bergab. Den bisherigen Tiefpunkt in Sachen Wahlbeteiligung registrierten die Statistiker bei der Wahl vor fünf Jahren: Fast jeder zweite Berliner blieb zu Hause, nur noch 58 Prozent der Wahlberechtigten stimmten damals ab.
Ob der Negativrekord am heutigen Sonntag noch unterboten oder der Abwärtstrend gestoppt wird – dazu wagen die Wahlforscher keine Prognosen. Klar ist nur, dass sich Wähler heutzutage immer später entscheiden, ob und wem sie ihre Stimme geben wollen. Tradierte Parteiloyalitäten, wie sie in den Jahrzehnten nach dem Krieg üblich waren, gibt es heute nur noch in wenigen Teilen der Gesellschaft. Politikwissenschaftler wie Oskar Niedermayer von der Freien Universität haben beobachtet, dass in Berlin im Vergleich zu früheren Jahren der Anteil der sogenannten Spätentscheider zugenommen habe. Er schätzte wenige Tage vor der Wahl, dass etwa jeder fünfte Berliner noch gar nicht wusste, für wen er stimmen wird. Darauf setzen manche Parteien, die jetzt bis zum Schluss versuchen, ihre Wählerschaft zu mobilisieren: So beantworten die Grünen live im Internet unter dem Motto „Drei Tage wach“ rund um die Uhr Wählerfragen, auch SPD, Linke und andere versuchen mit Aktionen in letzter Minute die Wahlbeteiligung in ihrem Interesse zu steigern.
Ein Blick auf die Statistik zeigt übrigens, dass ein besonderer Rückgang bei der Beteiligung an freien Wahlen im Zuge der Wiedervereinigung der Stadt festzustellen war: Während in West-Berlin in den Jahren vor dem Mauerfall stets um 80 oder mehr Prozent der Wahlberechtigten wählten, sank der Anteil ab Mitte der 90er Jahre auf unter 70 und zuletzt dann unter 60 Prozent. lvt