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Boden bereiten für den Shoppingpalast. 17 Meter tief ist die Baustelle am Leipziger Platz. Das Projekt läuft wieder nach Plan, nachdem Wassereinbrüche es gebremst hatten.
© dpa

Stadtentwicklung: Auch in die letzte Lücke passt ein Einkaufscenter

Am Leipziger Platz entstehen 270 Läden. Die Nachbarn in den Arkaden und der Friedrichstraße meinen, das belebe das Geschäft.

Das weiße Zeltdach, mit den spitz auf den Kegel zulaufenden Bahnen erinnert an die Konstruktion über dem Sony Center. Ein Zufall? Die Bauherren des Leipziger Platzes 12 hatten es über die zwölf Meter tiefe, fein ausgefegte Baugrube gespannt, wo sich am Freitag rund 300 Gäste zur Grundsteinlegung des derzeit größten privaten Bauvorhaben Berlins versammelten. Das 64. Shoppingcenter der Stadt wird weithin als Ergänzung des Potsdamer-Platz-Ensembles angesehen – und die größte städtebauliche Wunde im Zentrum schließen, die die Teilung der Stadt bis heute hinterlassen hat.

Hostessen in roten Kleidern mit Prosecco-Gläsern auf dem Silbertablett, Herren im anthrazitfarbenen Business-Anzügen, Bauleute in modischen T-Shirts mit dunkler Sonnenbrille und mittenmang der Entwickler des Projektes: Brauner Pullover über hellem Sommerhemd und -hose, so tritt der jugendhafte Harald G. Huth auf die Bühne. Er hat an der Stelle, wo einst das Kaufhaus Wertheim von Pergamonmuseum-Architekt Alfred Messel stand, mit seinen Plänen „den Bann gebrochen“, bescheinigt ihm Nils Busch-Petersen vom Handelsverband Berlin-Brandenburg. Stadtentwicklungsssenator Michael Müller (SPD) wünscht ihm „ganz viel wirtschaftlichen Erfolg“ und fügt hinzu: „In Ihrem Interesse, aber auch in dem Berlins“.

Bummeln bei Wertheim. Als diese Aufnahme im Jahr 1939 entstand, dominierten Fußgänger auf dem Leipziger Platz.
Bummeln bei Wertheim. Als diese Aufnahme im Jahr 1939 entstand, dominierten Fußgänger auf dem Leipziger Platz.
© Ullstein Bild

Schon jetzt ist der 460 Millionen Euro teure Neubau nach Plänen einer Arbeitsgemeinschaft um Sergei Tchoban ein kleines Konjunkturprogramm für die Baufirmen, die hier täglich Stahl mit dem Gewicht von 100 Autos verschweißen und in diese Armierung täglich 1200 Kubikmeter Beton gießen. Das alles verläuft bisher ohne Verkehrschaos. Auch der Wassereinbruch, der kurzzeitig zu Störungen auf der U-Bahn-Linie 2 führte, wurde rasch beherrscht und der Verzug beim Bau wieder eingeholt. Wenig spricht gegen die Eröffnung der 270 Läden und den Einzug der Mieter in die 270 Wohnungen im Jahr 2014.

An die glorreichen Zeiten des Leipziger Platzes als einstiger „Brücke“ zwischen der Friedrichstraße im Osten und dem Kurfürstendamm im Westen, erinnerte der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann. Der Erfolgsgeschichte, die Warenhaus-Pionier Georg Wertheim bis zu seiner Vertreibung durch die Nazis schrieb, ging an dieser Stelle aber auch der Bankrott der „Kaiserpassagen“ im Jahr 1891 voraus.

Projektentwickler Huth hat zum Boom der Shoppingcenter in Berlin bereits maßgeblich beigetragen: In den 90er Jahren baute er das stadtweit größte Einkaufszentrum, die Gropius-Passagen in Neukölln, und 2006 folgte „Das Schloss“ an der Steglitzer Schlossstraße. Der Handelsverband teilt nicht die Meinung mancher Kritiker, dass es bereits zu viele Center gebe, rechnet aber höchstens noch vereinzelt mit weiteren Projekten. Beispielsweise plant der Möbelhausunternehmer Kurt Krieger in Pankow ein neues Stadtquartier. Dazu soll auch ein Shoppingcenter gehören, die Stadtentwicklungsverwaltung lehnt dies allerdings ab. Grundsätzlich sieht ein Zentrenkonzept des Senats vor, dass Center nur noch an „integrierten Standorten“ entstehen sollen, wo auch Läden in der Umgebung von der Anziehungskraft der großen Häuser profitieren könnten.

Center-Chef. Harald G. Huth entwickelt das Projekt; er baute auch schon die Gropius-Passagen und das Steglitzer „Schloss“-Center.
Center-Chef. Harald G. Huth entwickelt das Projekt; er baute auch schon die Gropius-Passagen und das Steglitzer „Schloss“-Center.
© dpa

In den nahen Potsdamer-Platz-Arkaden macht sich der neue Centermanager Lutz Heinicke bisher keine Sorgen – obwohl zu den künftigen Mietern im Neubau am Leipziger Platz auch Ketten wie Aldi, Kaiser’s und Saturn gehören, die bereits in den Arkaden ansässig sind. Heinicke glaubt, dass sie nicht umziehen werden, sondern beide Standorte nutzen wollen. Er sehe in der zentralen Lage die „Perspektive“, noch mehr Shopping-Touristen anzulocken. Außerdem gebe es den 1998 eröffneten Arkaden zehnjährige Mietverträge, die 2008 verlängert worden seien. Doch zumindest die Elektronikmarktkette Saturn hat bereits bestätigt, sie werde „Ende 2013 vom Potsdamer Platz an einen neuen Standort am Leipziger Platz umziehen“. Einen Nachmieter brauchen die Arkaden auch für die Filiale der wirtschaftlich angeschlagenen Buchhandelskette Hugendubel, die Ende Januar 2013 schließt.

Auch die Interessengemeinschaft Friedrichstraße sieht „keine Bedrohung“ im Projekt am Leipziger Platz. „Der Lückenschluss ist stadtentwicklungspolitisch gut“, sagte Vereins-Geschäftsführer Mateusz Hartwich. Auch er rechnet damit, dass für Einzelhändler „dank des Tourismus der Kuchen größer wird“. Vor allem gebe es in der Friedrichstraße keine Anzeichen dafür, dass die „stilbildenden“ Marken- und Luxusläden wegziehen wollen.

Handelsverbandschef Busch-Petersen nimmt an, dass sich in Berlin „nicht alle“ bestehenden Center halten werden können. Doch an guten Standorten sei nicht mit Problemen zu rechnen. Das Center am Leipziger Platz könne „auch im Wechselspiel mit den Arkaden funktionieren“, Huths Projekt sei „noch kein Akt des Kannibalismus“. Andernorts jedoch werde es inzwischen eng. Manche Center seien inzwischen „verwechselbar“ und stünden vor der Herausforderung, sich zu erneuern und zu verbessern.

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