Tagesspiegel-Spendenaktion "Menschen helfen!": Auch bei Liebeskummer darf geklingelt werden
Streit mit den Eltern, Beziehungsprobleme oder sogar Suizidgedanken: Der Berliner Krisendienst hilft. Jetzt bittet er um Spenden.
Bei seiner 27. Weihnachtsspendenaktion „Menschen helfen!“ bittet der Tagesspiegel um Spenden für 62 soziale Initiativen – in der Spendenserie stellen wir einige vor. Heute den „Berliner Krisendienst Region Süd-West, vom Träger KUB e.V.“
Der Junge war 16 und hatte seine erste Trennung hinter sich. Er aß weniger, hatte keine Lust mehr auf soziale Kontakte und hatte das Gefühl, dass er nicht mehr glücklich werden könnte. Sein Vater machte sich Sorgen, nach ein paar Wochen nahm er seinen Sohn beiseite und klingelte mit ihm beim Berliner Krisendienst. Damals noch in der Albrechtstraße, jetzt in der Schloßstraße 128. Dort öffnete ihnen Psychologin Daniela Paterno die Tür – die für das Anliegen des Teenagers sofort ein offenes Ohr hatte.
Suizidgedanken, Mobbing, Einsamkeit. Beim Berliner Krisendienst finden alle Menschen dieser Stadt Hilfe. Rund um die Uhr beraten Psychologen, Sozialarbeiter und Psychotherapeuten Menschen in persönlichen Notlagen. Doch ab wann ist eine Krise eine wirkliche Notlage?
Reicht der einfache Liebeskummer oder muss es gleich die ganz schwere Depression sein? Die Barriere sich tatsächlich Hilfe zu holen, möchte die Beratungsstelle so niedrig wie möglich halten – klingeln darf hier jeder, der auch nur meint ein Problem zu haben.
Auch bei kleinerem Kummer darf man vorbeikommen
„Was eine Krise ist, das legen wir nicht fest, sondern, dass entscheidet jeder Mensch individuell für sich“, sagt Psychologin Daniela Paterno, 33 Jahre und schon mehrere Jahre beim Krisendienst tätig. „Unser Vorteil ist, dass wir ein sehr niederschwelliges Angebot sind“, erklärt sie. „Bei uns braucht man keinen Termin, keine Überweisung vom Arzt und wir erfassen auch keine Daten“. Kostenlos ist das Angebot sowieso.
Dass der 16-jährige Teenager damals mit seinem Vater bei ihr klingelte sei genau die richtige Entscheidung gewesen. Nach der insgesamt fünften Beratungsstunde sei es ihm bereits viel besser gegangen. „Das war nichts Pathologisches in seinem Fall. Doch in seinem Alter wusste er nicht, wie er eine persönliche Krise alleine überstehen sollte“, sagt die Psychologin.
Ältere kommen wegen Einsamkeit
Als ältere Person hat man sich eventuell schon ein Gerüst mit Lösungsstrategien zurechtgelegt, wie mit Trennungsschmerz und Enttäuschungen umzugehen ist. Aber in die Schloßstraße 128, direkt gegenüber vom Forum Steglitz, kommen auch Personen mittleren Alters mit Beziehungsproblemen, komplizierten Partnerschaftsverhältnissen oder Jugendliche, die Streit mit ihren Eltern haben.
Ältere kommen meistens, weil sie sich einsam fühlen, sie zum Beispiel einen nahestehenden Menschen verloren haben. Bei anderen sind die Probleme dann doch krankheitsbedingt. Sucht, Depressionen, psychiatrische Erkrankungen.
Neun verschiedene Standorte gibt es in Berlin
„Wir sind eine erste Anlaufstelle“, sagt Daniela Paterno. „Unser Vorteil ist, wir verfügen über viele Kontakte und helfen den Betroffenen dabei, den für sie richtigen Ansprechpartner zu finden. Manche müssen dringend in einer psychiatrischen Klinik unterkommen, andere brauchen eine Suchtbehandlung und wieder andere einen Platz im Frauenhaus. „Doch wir drücken den Hilfesuchenden nicht einfach eine Visitenkarte in die Hand, sondern wir sehen zu, dass sie auch wirklich gut dort unterkommen, wo sie hinmüssen“, sagt Daniela Paterno.
Neun verschiedene Standorte hat der Krisendienst in Berlin. Geführt werden sie von sechs verschiedenen Trägern, die hauptsächlich vom Senat finanziert werden. Der Krisendienst Süd-West gehört zum Verein KUB, der auch andere Beratungsangebote in der Stadt betreibt.
Die Mitarbeiter brauchen eine neue Küche
37 Fachkräfte, darunter Psychologen, Sozialarbeiter und Therapeuten, sind in den Räumen in Steglitz regelmäßig im Einsatz. Vier Zimmer hat die Beratungsstelle in der Schloßstraße. Drei Zimmer mit Sofas und Sesseln für die Gespräche und eines mit Schreibtischen. „Hier klingelt dann ab Nachmittag permanent das Telefon“, sagt Daniela Paterno. Andere kommen persönlich vorbei. Von 16 bis 24 Uhr läuft hier der Bereitschaftsdienst.
Die Gehälter der Fachkräfte sind über die Senatszuwendungen finanziert. Doch für andere große Sprünge fehlt oft das Geld.
Damit die Seelsorger und ihre Klienten es in Zukunft etwas gemütlicher haben, wünschen Sie sich eine neue Küche. Die alte konnten sie bei ihrem Umzug im Herbst nicht mitnehmen und bei der bisherigen bröckelt bereits die Beschichtung von den Türen ab, der Ofen ist verrostet und Oberschränke fehlen auch. „Backen oder gemütlich hier sitzen, ist momentan nicht möglich“, sagt Paterno. Dabei sei für ihre Arbeit ein heimeliges Ambiente besonders wichtig.
Soll er seine Freundin auf Instagram blockieren?
Was dem 16-jährigen Teenager damals geholfen habe? „Für ihn war es wichtig, mit einer Vertrauensperson über seinen Kummer zu sprechen“. Nach ein paar Fragen habe er sich auch getraut, zu weinen. Das fiel ihm schwer. In den nächsten Sitzungen besprachen sie schon Konkreteres. Soll ich die Ex-Freundin jetzt bei Instagram und Facebook blockieren? Wie gehe ich damit um, wenn ich ihr im Alltag immer noch begegnen muss?
Liebeskummer kann manchmal eine leicht gelöste Sache sein. Für nicht wenige Jugendliche sei es ein Grund über Selbstmord nachzudenken, sagt die Psychologin. Wie viele Suizide beim Krisendienst möglicherweise verhindert wurden, können sie hier nicht sagen. Der junge Mann sei – wie die vielen anderen Klienten vor und nach ihm – mit einem wesentlich größeren Selbstwertgefühl aus den Räumen in der Schloßstraße hinausgegangen, als er zum ersten Mal hineingekommen war. „Kein Vergleich zu der Person, die damals unter großer Aufregung hier geklingelt hatte“.
Die Mitarbeiter des Krisendienstes Süd-West sind täglich von 16 bis 24 Uhr unter Tel. 3906360 zu erreichen. Infos zu den anderen Beratungsstellen unter www.berliner-krisendienst.de.