Rigaer Straße in Friedrichshain: Asphaltieren gegen Stein-Attacken
Nach regelmäßigen Attacken auf Polizisten möchte der Bezirk die Rigaer Straße mit Asphalt beruhigen. Doch ist das die Lösung? Ein Besuch vor Ort.
Von Randale keine Spur mehr, in der Rigaer Straße. Am Morgen nach Stein-Attacken, Hubschrauber-Einsatz und Verfolgungsjagden, sitzt ein Bauarbeiter bei einem Becher Kaffee vor dem Almaya-Grill Ecke Samariterstraße. Nee, wegen dem Teeren von Straßen und Gehwegen sei er nicht da, und er zeigt auf eine eingerüstete Fassade gegenüber: „Wir machen die Balkone“.
Friedrichshain-Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hatte getwittert, in der Rigaer werde jetzt „mit Asphalt nachgebessert“, um die Stein-Attacken künftig zu unterbinden. Doch auf den Straßen rund um die Rigaer ist keine Baukolonne in Sicht. Aber ohnehin wirft der Ortstermin die Frage auf: Wurden die Wurfgeschosse wirklich aus dem Gehwegbelag herausgerissen – oder nicht eher beim Baustoffhändler des Vertrauens bestellt? Jedenfalls sind Lücken im Pflaster von Friedrichshain Fehlanzeige.
Rigaer ist ohnehin schon asphaltiert
„Find’ ich nicht gut, das soll bleiben, wie es ist“, sagt Miri. Die Betreiberin vom Späti „Mischkassette“ sitzt auf dem Fensterbrett und tankt Sonne. In der Nachbarschaft seien Kitas, und die Pflasterstein-Streifen vor den Kreuzungen an der Rigaer zwängen Autos langsamer zu fahren. Außerdem seien die Rollgeräusche eine gute Warnung für die Kinder.
Überhaupt, die Rigaer ist ohnehin schon asphaltiert. Pflaster liegt auf der Samariterstraße oder an der Liebigstraße, die quer zur umkämpften Meile verlaufen und diese kreuzen. Zur Frage der Sinnhaftigkeit eines bezirklichen Versiegelungskommandos gibt es aber auch andere Stimmen. Karin Warnst zum Beispiel, die seit 25 Jahren in einer Seitenstraße wohnt, kann der Idee etwas abgewinnen. „Da ist doch schon wieder der Hubschrauber über uns gekreist“, sagt sie und es klingt mit, dass die Straßenkämpfe an ihren Nerven zerren. Andererseits, „so lange ich nicht angegriffen werde“, aber jetzt muss sie schnell weiter, zum Arzt.
Deeskalationsstrategie auf die morgenländische Art
„Bildet Banden - macht sie platt“ prangt auf dem Transparent vom Obergeschoss eines Wohnhauses, weiter westlich an der Rigaer. Die abgerissenen, bunt bemalten Fassaden auf der einen Seite der Straße bilden den maximal möglichen Kontrast zum weiß getünchten Mauerwerk des ultramodernen Neubaus gegenüber – nur die schwarzen Spritzer von Farbbeutel-Angriffen machen deutlich, dass das neue Berlin hier auf massiven Widerstand stößt.
Demir arbeitet seit acht Monaten im Almaya-Grill und kann nicht wirklich klagen. Am Wochenende war er nicht da, sondern in Familienangelegenheiten unterwegs. Die Frage nach den teils militanten Ausschreitungen beantwortet er mit einer Anekdote. Neulich sei ein mächtig Angetrunkener rübergekommen und habe „Schnaps“ gefordert. Demir weigerte sich, ihm Hochprozentigen zu verkaufen. Er bleibe, bis er etwas bekomme, habe der junge Mann entgegnet. „Setz’ dich doch“, habe Demir ihm gesagt und einen Döner spendiert. Deeskalationsstrategie auf die morgenländische Art.
Sind Teeren und Asphaltieren die Lösung?
Ob Teeren und Asphaltieren wirklich gegen die Stein-Attacken auf Polizei-Beamte helfen? Die Reaktionen auf den Tweet von Baustadtrat Schmidt waren gemischt. Während die einen die Idee begrüßten, höhnte ein anderer: „Das ist des #Grünen Lösung. Wieso nicht unrepariert lassen? Würde in Fhain #rigaer gar nicht auffallen. Ihr habt doch einfach keine Kohle.“ Schmidt sagte auf Anfrage, dass anders als geplant nun erst einmal eine Begehung stattfinde, am Dienstag.
Aus der Geschichte lernen könnte Schmidt auch beim Rückblick auf die Debatten über die Mai-Randalen während der Jahrtausendwende. Um der spontanen Munitionierung militanter Demonstranten vorzubeugen, wurden schon damals Forderungen laut, die Kleinpflastersteine auf den Gehwegen fest zu verfugen. Mörtel statt Sand zwischen den Steinen oder auch eine dünne Schicht Asphalt, wie sie auch andernorts im Straßenbild schon mal zu sehen ist, schon lassen sich die Steine nicht mehr herausgraben. Während eine Polizeisprecherin damals der Idee einiges abgewinnen konnte, glaubte die Polizeigewerkschaft nicht, dass Randalierer sich auf diese Weise stoppen lassen.