Berlin: Asbestschulen: Bezirke bleiben auf Millionenwerten sitzen
Die Stadt hat ihr Asbest-Problem noch immer nicht gelöst. Von ehemals 15 verseuchten Mittelstufenzentren wartet ein Drittel weiterhin auf Sanierung und gegebenenfalls Abriss.
Die Stadt hat ihr Asbest-Problem noch immer nicht gelöst. Von ehemals 15 verseuchten Mittelstufenzentren wartet ein Drittel weiterhin auf Sanierung und gegebenenfalls Abriss. Dadurch entstehen Unterhaltungskosten von rund 150 000 Mark jährlich. Zudem liegen wertvolle Bezirksimmobilien brach. Als Zugabe haben die Anlieger seit nunmehr zwölf Jahren den steten Verfall der Gebäude vor Augen. Infolge der knappen Finanzen ist kein Ende der Asbest-Ruinen absehbar.
Die Aufschiebepolitik der Verantwortlichen wird begünstigt dadurch, dass von den jetzt noch verbliebenen Gebäuden im stillgelegten Zustand keine Gefahr ausgeht: Die mit Spritzasbest ausgestatteten - und besonders gesundheitsgefährlichen - Gebäude wurden schon bis Mitte der 90er Jahre entsorgt. Zudem nahm die erstaunliche Haltbarkeit der "provisorischen" Schuldörfer den Druck zu handeln: ursprünglich nur für fünf bis zehn Jahre angelegt, so heißt es jetzt aus den Bezirken, könnten einige der Bauten noch 20 bis 50 Jahre halten.
Allerdings ist die Lage von Schule zu Schule und von Bezirk zu Bezirk sehr unterschiedlich. In Neukölln zum Beispiel gibt es vier Schuldörfer, von denen eines noch lange halten wird (Heinrich-Mann-Gesamtschule) und eines in so schlechtem Zustand ist (Otto-Hahn-Gesamtschule), dass 2002 mit dem Neubau begonnen werden soll. Für die anderen Beiden (Leonardo-da-Vinci-Gymnasium und Clay-Gesamtschule) lässt Schulstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) gerade eine Analyse des Hochbauamtes anfertigen, um zu klären, ob es sich lohnt, nochmals mehrere Millionen Mark zu investieren. Fundamentabsenkungen, dünne Trennwände, Flachdächer und schlechte Wärme-Isolierung bereiten hier Sorge.
Schimmang gibt sich allerdings keinen Illusionen hin: Dass ihm rund 80 Millionen Mark für die Neubauten der da-Vinci- und Clay-Schule bewilligt werden, ist äußerst unwahrscheinlich; denn die rund fünf Millionen Mark jährlich, die allein für Zinsen berappt werden müssten, sind eben nicht da. Stattdessen gibt das Bezirksamt Neukölln rund 50 000 Mark jährlich für die (Ver)Sicherungsmaßnahmen an den alten Standorten Lipschitzallee und Christoph-Ruden-Straße aus: Die Asbestsanierung soll erst dann erfolgen, wenn über die weitere Nutzung der Flächen entschieden ist, berichtet Schimmang.
Auch Spandau schlägt sich noch mit zwei Asbestruinen herum. Alle Jahre wieder bemühe man sich um Mittel für die Entsorgung der "Schandflecke", die das Abgeordnetenhaus mit schöner Regelmäßigkeit verweigere, berichtet Schulstadtrat Gerhard Hanke (CDU). Bei guter Pflege hielten die Schuldörfer von Heinrich-Böll-und Bertolt-Brecht-Oberschule wohl noch 20 Jahre - nicht zuletzt Dank der guten Pflege durch die Schüler, lobt Hanke. Er bedauert, das der Senat das ursprüngliche Asbest-Sanierungsprogramm von 1989/90 nach der Wende nicht weiterführte, sodass die Bezirke auf ihren Altlasten sitzenblieben. Solange sie nicht abgerissen würden, mangele es zudem an Sportflächen, die einst mit den Schuldörfern zugebaut wurden.
Es fehlt aber nicht nur an Sportflächen. "Wir haben keinen Versammlungsraum und zu wenig Klassenräume", kritisiert zum Beispiel der Leiter der Brecht-Oberschule, Rainer Gerhardt. Große Einschulungsfeiern mit Eltern seien beispielsweise unmöglich. Zudem sei der Ersatzbau für 1000 Schüler konzipiert gewesen, inzwischen seien es aber 1300. Er findet, man habe sich nun lange genug eingeschränkt.
"Noch 50 Jahre halten" könnte der Ersatzbau für die Brøndby-Oberschule in Steglitz-Zehlendorf , schätzt Volksbildungsstadtrat Norbert Kopp (CDU). Zudem sei das Schuldorf viel schöner als die alte "Betonburg". Seit Jahren bemüht sich der Bezirk um einen Investoren, der den alten Bau entsorgen soll. Vor zwei Jahren scheiterte ein fertiges und vom Abgeordnetenhaus beschlossenes Konzept an der Baufinanzierung. Das Grundstücksamt sei mit weiteren Ivestoren "im Gespräch", weiß Kopp, der sich über das "rausgeschmissene Geld" für die Unterhaltung des alten Gebäudes ärgert.
Das leidige Asbest-Problem gelöst hat in jüngerer Zeit nur Reinickendorf: Die Wohnungsbaugesellschaft Gesobau habe eine "fachgerechte Entsorgung" der Bettina-von-Arnim-Oberschule vorgenommen, nachdem sie die Immobilie als "Bevorratungsgrundstück" erworben hatte, berichtet Baustadtrat Michael Wegner (CDU). Auch er schwärmt von dem "sehr haltbaren" Schuldorf. Über die Planung eines Neubaus denkt er - anders als sein Neuköllner Kollege Schimmang - noch nicht nach: Angesichts des Geburtenrückgangs in Reinickendorf weiß Wegner noch gar nicht, ob sein Bezirk ein neues Schulhaus überhaupt braucht.
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