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Der Zahn der Zeit nagt am ehemaligen Zentralflughafen Berlin Tempelhof.
© Mike Wolff

Tag der offenen Tür in Tempelhof: Asbest und zu dünne Wände - ein Flughafen als Reparaturprojekt

Die Hangars in Tempelhof öffnen heute ihre Tore. Doch das riesige Gebäude ist stark sanierungsbedürftig. Ein Rundgang.

Im Hangar 5 ist die Zeit wieder stehen geblieben. Dröhnende, verschwenderische Leere. Die Volksbühne hat ihre hölzerne Tribüne wieder weggeschafft, restlos. Der Hangar ist wieder Möglichkeitsraum. Wenn die Heizung funktioniert und das Regenwasser die Fallrohre findet. Peter Forst ist seit Juni der „Facility Manager“ des Flughafengebäudes, Herr über einen technischen Dinosaurier aus Dampfheizungsrohren, Hangartoren und Hochspannungsleitungen, Gebieter über 40.000 Schlüssel. „Vielleicht sind es auch 50.000“, sagt er und lacht mit leicht diabolischer Färbung.

Durchdrungen hat Forst das Labyrinth der 8000 Räume, 14 Treppentürme, Bunker und Lagerräume noch lange nicht, aber was er bisher gesehen hat, reicht aus für ein klares Statement: „Würde das Gebäude mir gehören, würde ich es zwei Jahre schließen und alles auf den Stand bringen.“ Er meint nicht „modernisieren“, sondern „reparieren“, der „Instandhaltungsstau“ betrage rund 300 Millionen Euro. Doch ausgeben kann er pro Jahr nur zehn bis 20 Millionen. Die Gebäude verfallen schneller, als Forst und sein Team sie reparieren können.

Schöner Schein. Die imposante Haupthalle ist beim heutigen Tag der offenen Tür eine der größten Attraktionen.
Schöner Schein. Die imposante Haupthalle ist beim heutigen Tag der offenen Tür eine der größten Attraktionen.
© Mike Wolff

Statt sich um nachhaltige Lösungen zu kümmern, betreibt Forst „Havariemanagement“. Ständig ist irgendein Rohr verstopft, ein Thermostat ausgefallen, ein Trafo defekt, immer regnet es irgendwo durch. 5000 Störfälle sind seit Jahresanfang aufgelaufen. Dass die rund 100 Mieter im Gebäudekomplex noch nicht entnervt ausgezogen sind, liegt laut Forsts Chefin Jutta Heim-Wenzler vor allem daran, das das Faszinosum des Standorts, der Mythos Tempelhof, immer noch schwerer wiegt als der Ärger über kalte Heizkörper und tückische Stolperfallen.

Peter Forst ist Facility Manager, er kümmert sich ums Gebäude.
Peter Forst ist Facility Manager, er kümmert sich ums Gebäude.
© Mike Wolff

Das Faszinosum Tempelhof kann am Samstag zum ersten Mal seit der Schließung des Flughafens 2008 bei einem Tag der offenen Tür begutachtet werden (siehe Kasten). Geöffnet sind Vorfeld, Haupthalle, Hangar 5 und die künftige Dachterrasse. Auch einige Mieter des Gebäudes laden zu Führungen durch ihre Räume ein. Der Besuchertag soll die Beteiligung der Öffentlichkeit am Planungsprozess einläuten. Nach dem Auszug der letzten Flüchtlinge aus den Hangars – geplant für Anfang Dezember – sei jetzt Zeit für einen „Neustart“, sagt die Sprecherin von Tempelhof Projekt, Irina Dähne. Ideen für die Hangars, das Vorfeld und große leerstehende Flächen in den Treppentürmen sind gefragt.

Die Statik ist die große Unbekannte

Für den Köpenicker Peter Forst ist der Flughafen die bislang größte Herausforderung seines Berufslebens. In den Treptowers und am Potsdamer Platz hat er schon gewirkt, aber das war kaum mit Tempelhof vergleichbar. Hier gibt es täglich neue Überraschungen. Angeblich tragende Wände erweisen sich bei näherer Untersuchung als viel zu dünn. Die Statik ist die große Unbekannte des Flughafens. Aber eingestürzt sei bisher noch nichts, versichert Forst.

In den Hangars atmet jede Wand Geschichte.
In den Hangars atmet jede Wand Geschichte.
© Mike Wolff

Zusammen mit seinem Kollegen Jürgen Schröder von der Wisag, einem technischen Dienstleistungsunternehmen, zeigt Forst das Heizkraftwerk aus den Fünfziger Jahren, auch das steht unter Denkmalschutz. Hier wird 120 Grad heißer Wasserdampf für alle Gebäude produziert, doch wegen der veralteten Technik und der schlechten Isolierung geht auf dem kilometerlangen Weg dorthin rund 30 Prozent der Energie verloren. Peter Forst ist gelernter Heizungsbauer, was die Sache psychologisch noch verschlimmert. „Heute würde man das dezentral anlegen, mit Blockheizkraftwerken, die auch Strom produzieren.“

Filmbranche mietet sich regelmäßig ein

In die Katakomben des Kraftwerks mietet sich die Filmbranche gerne ein. Die großen Drehventile, klobigen Tanks und Messgeräte sind äußerst fotogen. „Wir waren hier schon Atomkraftwerk und futuristisches Nordkorea“, sagt Schröder. 70 Filme wurden hier bislang gedreht, zuletzt „Atomic Blonde“, „Bridge of Spies“ und „Die Protokollantin“. Schröder empfiehlt den Filmleuten gerne das „Ballett der Hangartore“ bei Sonnenaufgang.

Im Heizungstunnel ist es immer schön warm.
Im Heizungstunnel ist es immer schön warm.
© Mike Wolff

Unter den Hangars führt ein begehbarer Heizungstunnel über die gesamte Gebäudelänge von 1,2 Kilometern, dort ist es jederzeit kuschelig warm. Die Isolierung einfach zu erneuern, geht aber nicht. Alle paar Meter weist ein Aufkleber auf krebserregendes Asbest hin. Plötzlich wird es stockdunkel im Tunnel. Oha, Stromausfall, wie kommen wir hier wieder raus? Schröder drückt ganz gelassen auf einen Schalter, der die Abschaltautomatik unterbricht. „Wir müssen ja Strom sparen“ – Achtung, Ironie. Auch beim Strom geht viel Energie in die Binsen. Der Flughafen bekommt Hochspannug geliefert und wandelt sie in 42 eigenen Trafos in niedrigere Voltzahlen um.

Das Heizkraftwerk spielte im Film schon mal ein Atomkraftwerk.
Das Heizkraftwerk spielte im Film schon mal ein Atomkraftwerk.
© Mike Wolff

Durch eine „alarmgesicherte Tür“ führt der Weg wieder nach draußen, auf die „untere Bunkerstraße“. Hier wurden im Krieg die Teile für die Produktion von Jagdbombern angeliefert. Forst interessiert sich eher für die Brücken über der Straße, die zu den Treppentürmen führen. Auch hier bröselt der Beton, die Armierung liegt teilweise offen. Demnächst steht eine Prüfung der Standsicherheit an. 2020 soll die Sanierung beginnen.

Jutta Heim-Wenzler, auch erst seit August im Amt, grübelt unterdessen, wo sich im Flughafen am besten ein Restaurant samt Kantine unterbringen ließe, das wäre für die Öffnung des Gebäuderiegels wichtig. Am Ehrenhof gäbe es geeignete Räume, aber keinen Blick über das ehemalige Flugfeld. Im Kopfbau West, der als Zugang zur Dachterrasse hergerichtet wird, soll es erstmal ein Café geben. Ein weiteres ist für das Besucherzentrum im Foyer der Haupthalle geplant. Eröffnen könnte es 2020. Auch den Zaun zwischen Vorfeld und Flugfeld würde Heim-Wenzler gerne abreißen, um den Flughafen wieder als Einheit zu präsentieren. Aber das ist noch eine ferne Vision.

Das Programm am Besuchertag

Von 12 bis 17 Uhr ist der Flughafen heute geöffnet, der Eintritt ist frei. Zugänge gibt es am Haupteingang am Platz der Luftbrücke und am Zaun zum Tempelhofer Feld. Auf dem Vorfeld parken Food-Trucks der Kreuzberger Markthalle IV. Zu besichtigen sind die Abfertigungshalle, Hangar 5, das ehemalige Offiziershotel der US-Air-Force und die künftige Aussichtsterrasse auf dem Dach. Die Senatoren Katrin Lompscher (Stadtentwicklung) und Klaus Lederer (Kultur) diskutieren um 16 Uhr mit dem Publikum Konzepte und Ideen für das Flughafengebäude. Hangar 5 und 6 stehen ab 2018 wieder für Events zur Verfügung, Hangar 7 wird dem Alliiertenmuseum übergeben. Die Hangars 1 bis 4 sollen noch bis Ende 2019 als Ankunftszentrum für Flüchtlinge und Reserve-Unterkunft dienen. Was danach dort passiert, ist noch offen. loy

Thomas Loy

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