Streit um Übergangszahlungen: Ärztepräsident attackiert KV-Vorstände
Als "anmaßend" bezeichnet der Präsident der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz, die Vorstandsprämien für die KV-Funktionäre. Juristen rechnen im Streit um die Übergangszahlungen mit einem Kompromiss vor Gericht.
Erneut wird die Kassenärztliche Vereinigung (KV) heftig kritisiert – und bemüht sich gleichzeitig hinter den Kulissen um eine außergerichtliche Einigung im Streit um die Vorstandsprämien. Der Präsident der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz, erklärte ungewöhnlich deutlich: „Der Versuch des Vorstandes, die Boni für sich zu sichern, ist anmaßend.“ Egal wie der Streit ausgehe, das Ansehen aller 7000 Kassenärzte der Stadt leide unter den KV-Funktionären. „Das Krisenmanagement des Vorstands ist miserabel“, sagte Jonitz dem Tagesspiegel.
KV und Ärztekammer sind Körperschaften öffentlichen Rechts, über die Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) wacht. Der KV verteilt Krankenkassengelder als Honorare. Ihr müssen alle Praxisärzte angehören, die gesetzlich Versicherte versorgen. Die Ärztekammer wiederum vertritt alle zugelassenen 28.000 Berliner Mediziner und ist für Ausbildungs- und Ethikfragen zuständig.
Wie berichtet, erhielten die KV-Vorsitzenden Angelika Prehn, Vize Uwe Kraffel und Vorstandsmitglied Burkhard Bratzke 2011 eine für die Wiederaufnahme der eigenen Praxisarbeit gedachte Übergangszahlung aus der KV-Kasse in Höhe eines Jahressalärs von je 183.000 Euro, obwohl sie weitere sechs Jahre im Amt bleiben wollen. Das Geld war für ihre erste Amtszeit ab 2005 gedacht: Begründet wurde die vorgezogene Auszahlung damit, dass der frühere rot-rote Senat während der ersten Amtszeit beschlossen hatte, dass sechs Monatsgehälter als Boni reichen müssen. Diesen Abzug habe die KV nur ausgeglichen. Laut Senat ist das unzulässig, Czaja hat angewiesen, die Prämien zurückzuzahlen. Dagegen klagte die KV vor dem Landessozialgericht.
An einer öffentlichen Auseinandersetzung haben beide Seiten aber kein Interesse. Juristen erklärten, die Arbeitsverträge der Funktionäre seien „moralisch unschön“, rechtlich aber schwer angreifbar. Czaja, der im Streit mit der KV ausdrücklich von der Opposition unterstützt wird, könnte vor Gericht verlieren, auch weil die Boni von der zuständigen Vertreterversammlung der KV, dem 40-köpfigen Ärzteparlament, abgesegnet wurden.
Doch die öffentliche Kritik an den drei Funktionären dürfte auch nach einem möglichen Sieg vor Gericht nicht verstummen. Und so gibt es Schlichtungsangebote. Offiziell bestätigt wird nur, dass es Gespräche gibt. Wie der Tagesspiegel erfahren hat, sieht das Angebot der KV Folgendes vor: Das Geld bleibt auf einem Sonderkonto und wird als Prämie für die vergangene Amtszeit erst in knapp sechs Jahren ausgezahlt. Für die inzwischen laufende zweite Periode akzeptiere man sechs Monatsgehälter als Bonus. Die Fachleute des Senats argumentieren, dass in Berliner Spitzenämtern für sechs Jahre Amtszeit ein ganzes Jahresgehalt unüblich sei – dass also die bislang gezahlte Prämie für beide Amtszeiten reicht.
Unter Juristen gilt folgendes Szenario als wahrscheinlich: Das Gericht drängt auf einen Kompromiss, wie bei Abfindungen üblich. Sollte sich der Vorstand weigern, könnte der politische Druck auf die KV so steigen, dass die Kassenärzte ihre Chefs zur Einwilligung drängen.
Der Vorstand wird von vielen Fachärzten, etwa Orthopäden und Dermatologen, unterstützt: Prehn, Kraffel und Bratzke hätten einen guten Verwaltungsjob gemacht und eine Lohnerhöhung verdient. Denn immerhin: Mit 350.000 Euro pro Jahr verdiente der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Köhler, bislang fast doppelt so viel. Erst nach monatelangem Streit hat Köhler kürzlich Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nachgegeben. Das Gehalt des obersten Kassenarztes des Landes wird niedriger. Hannes Heine
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