Bundesregierung bestätigt: Armenische Mafia in Deutschland aktiv – 42 Verdächtige
Auf Linken-Anfrage bestätigt die Bundesregierung 14 Ermittlungsverfahren zur Organisierten Kriminalität aus Armenien. Jetzt besucht der Regierungschef Berlin.
Die Bundesregierung bestätigt, dass in Deutschland armenische Kriminelle aktiv sind. Wegen ihres konspirativen, bandenmäßigen Vorgehens werden sie der "Organisierten Kriminalität" (OK) zugerechnet. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf Anfrage der Linken im Bundestag hervor. Damit bestätigt die Regierung, die Recherchen von "Spiegel" und "MDR" von 2018 und stellt zugleich fest, dass die sogenannten "Diebe im Gesetz" wahrscheinlich bundesweit aktiv sind, denn laut Regierung haben das Bundeskriminalamt (BKA) und sechs Landesbehörden (LKA) in 14 Verfahren gegen insgesamt 42 Personen ermittelt. Bislang war vor allem von Thüringen als Standort armenischer Mafiosi die Rede.
Das Papier kommt politisch ungelegen, denn an diesem Freitag trifft Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinyan in Berlin die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten. Dabei soll es um deutsche Entwicklungshilfe für das kleine und von feindlichen Staaten umgebene Land gehen.
"Diebe im Gesetz" ist eine Eigenbezeichnung streng hierarchisch, arbeitsteilig vorgehender Funktionäre der russisch-eurasischen OK, also auch armenischer Mafiosi. Das bundesweite Ermittlungsprojekt hieß intern deshalb "Fatil" – für "Fight against thieves in law". Die armenischen OK-Männer werden polizeiintern der Geldwäsche, Gewalttaten sowie Betrugs- und Eigentumsdelikten verdächtigt. Angeklagt wurde bislang nur ein Mann. Und erst vor wenigen Tagen wurde ein Haftbefehl gegen mutmaßliche Dealer armenischer Herkunft in Thüringen aufgehoben.
Rolle der armenischen Botschaft unklar
Der "Spiegel" hatte schon im November 2018 über Netzwerke „armenischer Mafiagruppen“ berichtet. Damals wurde bekannt, dass Ermittler auch vor Armeniens Botschafter in Berlin warnten. Die Botschaft ließ eine Ausstrahlung einer entsprechenden MDR-Dokumentation per Gerichtsbeschluss untersagen. Nun schreibt die Bundesregierung, der Diplomat sei kein "Tatverdächtiger in Ermittlungsverfahren, die durch die Projektgruppe geführt wurden" gewesen.
Doch es heißt auch: "Der armenische Botschafter (...) war am 19. Dezember 2017 zu einem Gespräch im Bundesministerium des Innern (BMI) zu Gast. Das Gespräch fand auf Wunsch des armenischen Botschafters statt. Zu den Inhalten des vertraulichen Gesprächs macht die Bundesregierung keine Angaben." Kenner vermuten, der Botschafter habe sich auf dem Höhepunkt der Ermittlungen gegen Vorwürfe wehren wollen - was sein Recht ist. Innenminister war Thomas de Maizière (CDU).
"Armenisch dominiertes OK-Ermittlungsverfahren" in Berlin
Zu jener Zeit führte das BKA auch in Berlin - wo Armeniens Botschaft ihren Sitz hat -, "ein armenisch dominiertes OK-Ermittlungsverfahren" durch. Dies teilte Berlins Polizei auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Hinweise darauf, dass womöglich doch Mitarbeiter der Botschaft involviert waren, ergeben sich aus dem Schreiben des Polizeipräsidiums indirekt: "Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass nicht jeder Mitarbeiter der armenischen Botschaft Diplomatenstatus besitzt und somit nicht als solcher erkennbar ist, wenn dieser Umstand nicht expliziert gegenüber den Ermittlungsbehörden geäußert wird."
Das BKA erklärte im "Fatil"-Abschlussbericht, dass eine armenische Mafia "tatsächlich existiert", mit anderen Gruppen aus der Region über "finanzielle Ressourcen" verfüge und "eine Gefährdung für den Rechtsstaat" darstellen könne. Die Ermittlungen begannen 2014 nach einer Schießerei zwischen zwei kriminellen Clans vor einer Spielothek in Erfurt. Dort stellten Beamte dem MDR zufolge auch Kontakte zwischen Armeniern und italienischen Mafiosi fest.
BND informierte Bundesregierung 2008
Die Bundesregierung weiß seit 2008 von mafiösen Strukturen aus dem Kaukasus in Deutschland: "Die Bundesregierung wurde im Jahr 2008 über ein Schreiben des BND an das BKA zur fraglichen Thematik informiert." Sicherheitsexperten bestätigen, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) regelmäßig Warnungen aus Staaten des Kaukasus', Osteuropas und Mittelasiens verschickt. Welche Hinweise der BND hatte, werden wohl selbst die Angeordneten nicht erfahren: "Gegenstand der Frage sind solche Informationen, die in besonders hohem Maße das Staatswohl berühren und daher selbst in eingestufter Form nicht beantwortet werden können."
Als "eingestuft" werden Dokumente bezeichnet, die nur von einigen Befugten eingesehen werden dürften. In diesem Fall soll sogar eine solche Einstufung der BND-Berichte als Verschlusssache "und Hinterlegung der angefragten Informationen bei der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages (...) nicht ausreichen, um der erheblichen Brisanz der angeforderten Informationen im Hinblick auf die Bedeutung für die Aufgabenerfüllung des BND Rechnung zu tragen." Die Regierung möchte offenbar nicht, dass die befugten Abgeordneten die Papiere in der Geheimschutzstelle einsehen. Sicherheitsexperten bewerten das wie folgt: Quellen des BND würden enttarnt - mit Blick auf die Lage in den Kaukasusländern bestünde womöglich Lebensgefahr.