Solidarisches Grundeinkommen: Arbeitsmarktexperten suchen Gründe für geringes Interesse am Berliner Pilotprojekt
Nur etwa hundert Arbeitslose nutzen die Angebote des öffentlich geförderten Modellvorhabens. Etwa 250.000 Euro kostet die Evaluierung.
Das Interesse am „Solidarischen Grundeinkommen“, das der Senat im Juli vergangenen Jahres beschlossen hat, hält sich immer noch in engen Grenzen. Bisher nehmen an dem Projekt zur Beschäftigung langzeitarbeitsloser Menschen, das der Regierende Bürgermeister und SPD-Landeschef Michael Müller initiiert hatte, nicht viel mehr als hundert Menschen teil.
Damit wird das Ziel, bis Ende 2019 die ersten 250 öffentlich finanzierten Arbeitsplätze einzurichten, deutlich verfehlt.
Längerfristig will der Senat 1.000 Arbeitslose im öffentlichen Dienst, in Landesunternehmen oder bei freien Trägern dauerhaft beschäftigen.
Nach Einschätzung von Sabine Bangert, Arbeitsmarktexpertin der Grünen, liegt der ausbleibende Erfolg des von Anfang an umstrittenen Förderprojekts daran, „dass wir gerade einen sehr aufnahmefähigen Arbeitsmarkt haben“ und die Zielgruppe für das „Solidarische Grundeinkommen“ derzeit in der Lage sei, aus eigener Kraft im ersten Arbeitsmarkt einen Job zu finden.
Kaum attraktive Angebote für ausgebildete Arbeitslose
Die im Rahmen des Projekts staatlich geförderten Angebote (etwa als Kita-Helfer, Quartiersläufer, City- und Obdachlosen-Lotsen, Besuchs- und Betreuungsdienste oder Tätigkeiten für die Umweltbildung) seien für Arbeitssuchende mit abgeschlossener Berufsausbildung wenig attraktiv, sagte Bangert dem Tagesspiegel.
Als positives Beispiel für eine sinnvolle Nutzung des „Solidarischen Grundeinkommens“ lobte die Grünen-Politikerin das Angebot der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) an Arbeitslose, in einem beliebigen Betriebsteil ein Praktikum zu machen und anschließend in eine Ausbildung bei der BVG zu wechseln. „Zumal das Unternehmen intensiv nach Fachkräften sucht.“
Evaluierung des Modellprojekts kostet 250.000 Euro
Bangert plädiert dafür, im Laufe dieses Jahres neue Berufsfelder zu suchen, um das „Solidarische Grundeinkommen“ attraktiver zu machen. Etwa im Kulturbereich, „beispielsweise in Kinder- und Jugendtheatern“.
Obwohl Müllers Projekt bisher nicht in Schwung gekommen ist, hat Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Linke) im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses schon 250.000 Euro locker gemacht, um das Pilotprojekt „Solidarisches Grundeinkommen“ durch externe Gutachter zu evaluieren.
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Unter anderem soll „der Nutzen für die Berlinerinnen und Berliner“ untersucht werden, 2022 soll ein erster Bericht vorliegen.
Der Auftrag für die wissenschaftliche Expertise wird bundesweit ausgeschrieben. Für das Projekt selbst stehen im laufenden Jahr 21,75 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt zur Verfügung.