Verwaltungsreform in Berlin: Arbeiten für die beste Stadt der Welt?
Um neues Personal zu gewinnen, braucht es statt Kleinklein Ehrlichkeit und Mut, sagt die Vorsitzende des Hauptpersonalrats von Berlin. Ein Gastbeitrag.
Das muss man dem neuen Senat lassen: Wenn es um Akquise von jungen Menschen und neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für den öffentlichen Dienst geht, wird offensiv geworben: „Hauptstadt machen – arbeiten für die beste Stadt der Welt!“, so der aktuelle Slogan.
Typisch Berlin, denkt man da. Um einen Spruch nie verlegen. Wer Werbeslogans kritisch hinterfragt, steht schnell als Nestbeschmutzer da. Wer darauf hinweist, dass längst nicht alles bestens ist in der besten Stadt der Welt, erntet einen genervten Blick. Schließlich seien doch alle Probleme hinlänglich bekannt, aber jammern helfe doch nicht weiter, dann bekäme man ja gar keinen Nachwuchs mehr an Bord.
Ich bin mir nicht sicher, ob das die richtige Strategie ist. Ich glaube, mit Ehrlichkeit kommt man weiter als mit schöner Scheinwelt. Dabei sollte die Berliner Landespolitik bei der geforderten Ehrlichkeit zunächst einmal bei sich selber anfangen.
Das Problem heißt nicht nur Personalmangel
Die jahrelangen Warnungen von Gewerkschaften und Personalräten, dass die Sparpolitik den öffentlichen Dienst an die Wand fährt, wurden geflissentlich ignoriert, bis er tatsächlich gegen die Wand gefahren war. Dies ist die aktuelle Situation: Wir haben nicht nur zahlreiche Mangelberufe wie Ärzte im Gesundheitsamt, Erzieherinnen, Lehrkräfte, Sozialarbeiterinnen, IT-Fachkräfte, Ingenieure aller Art, sondern auch Nachwuchsprobleme im Bereich der Feuerwehr und Polizei, der Justiz. Bei den Finanzämtern reicht der Nachwuchs nicht aus, um die freien Stellen zu besetzen, bei den Bezirksämtern erreichen uns alarmierende Nachrichten, dass sich auf manche Stellenausschreibung niemand mehr bewirbt.
Das Problem heißt nicht nur Personalmangel, sondern auch Raumknappheit in den Dienstgebäuden, baulicher Zustand von Dienstgebäuden insgesamt, nicht nur der Schulgebäude, Rückstand bei der Digitalisierung in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Dieser desolate Allgemeinzustand bedroht in seinen Auswirkungen den Rechtsstaat an sich.
Wenn Anzeigen nicht mehr verfolgt, Einsatzzeiten der Feuerwehr nicht mehr eingehalten werden können, wenn Gerichtsverfahren erst nach Jahren – wenn überhaupt – terminiert werden können, wenn die Politik zwar Versprechungen macht (Anspruch auf Kitaplatz, Jugendschutz), aber weit davon entfernt ist, diesen umzusetzen, dann schwindet das Vertrauen in den Staat als solchen. Dieser Prozess ist hier zu beobachten, in der „besten Stadt der Welt“. Und die Liste der Probleme ließe sich verlängern.
Wir brauchen junge Menschen, die Lust haben, Aufbauarbeit zu leisten
Ehrlich sein ist angesagt. Berlin ist kaputtgespart worden, weil uns Haushaltslöcher auffraßen (Bankenskandal). Die übrigens auch von Landespolitikern verursacht wurden, anderen als denen, die jetzt versuchen, die Situation wieder zu verbessern. Berlin ist aber auch kaputtgespart worden, weil das Sparen zum Selbstzweck verkam und mit einer Nichtachtung des öffentlichen Dienstes einherging.
Ehrlich um Nachwuchs zu werben, ginge so: „Liebe Leute, wir sagen es ganz offen. Wir brauchen dringend junge Menschen, die Lust haben, Aufbauarbeit zu leisten. Ihr müsst Idealismus mitbringen. Wir bieten euch keine gute Bezahlung, keine gute Ausstattung, überkommene Strukturen und gestresste Kolleginnen und Kollegen, deren Erfahrungswissen wir demnächst verlieren werden.
Aber wenn ihr mitmacht, werdet ihr Teil einer großen Sache: Ihr arbeitet für die beste Stadt der Welt, für dieses bunte, mürrische, schräge, humorvolle, fantasievolle Berlin. Ihr könnt sicher sein, alle freuen sich, wenn ihr bei uns mitmacht. Vermutlich macht ihr schneller Karriere als die gesamte Generation im öffentlichen Dienst vor euch. Ihr müsst flexibel sein, es wird sich viel ändern. Aber dafür wird es nie langweilig sein. Berlin braucht euch, euren Einsatz, eure Ideen.“
Gerade wenn die Umstände schwierig sind, muss die Bezahlung stimmen
Aber das wird nicht reichen. Es kommen die harten Argumente hinzu und da muss die aktuelle Regierung liefern: bessere Bezahlung. Hier gilt es, Spielräume im Tarif auszureizen, bestimmte Berufe überhaupt aufzuwerten. Die Beamtenbesoldung muss verfassungsgemäß gestaltet werden und mit dem Bund konkurrieren können. Gerade wenn die Umstände insgesamt schwierig sind, muss die Bezahlung stimmen. Man kann nicht erwarten, dass die jungen Menschen vor lauter Idealismus auch noch auf Geld verzichten.
Wir brauchen eine Übernahmegarantie für alle Auszubildenden und den Beamtennachwuchs: Bestanden ist bestanden. Wer die Prüfung schafft, hat einen Arbeitsplatz sicher. Nach dem Prinzip des lebenslangen Lernens wird ohnehin weiter qualifiziert und fortgebildet. Der Vorsatz, künftig auf sachgrundlose Befristungen zu verzichten, ist ein guter erster Schritt und muss mit Leben gefüllt werden.
Es gibt nicht genug IT-Personal am Markt? Wo bleibt das Konzept einer behördeneigenen IT-Laufbahn? Mit Hochschulen in Verhandlungen treten, um mehr Studienplätze einzurichten, die dualen Studiengänge mit Praktika an den öffentlichen Dienst binden, Stipendien vergeben. Dabei in großen Zahlen denken. Wir bekommen alle Leute unter, Schluss mit dem Kleinklein. Machen. Hauptstadt machen. Mutig sein.
Daniela Ortmann ist seit 1986 im öffentlichen Dienst als Finanzbeamtin tätig. Seit Ende 2016 ist sie Vorsitzende des Hauptpersonalrats des Landes Berlin.
Daniela Ortmann