Das Jüdische Krankenhaus im Wedding: Araber und Juden Hand in Hand
Krankenpflege seit 250 Jahren: Das Jüdische Krankenhaus in der Heinz-Galinski-Straße hat sogar die Nazi-Zeit überdauert. Nicht ohne Veränderungen natürlich: Unter den Patienten sind heute mehr Türken als Juden. Der typische Wedding-Mix eben.
Wenn die gewaltigen Kastanien rosa blühen im Park, ist es fast ebenso schön, aus dem Fenster der Gebäude rauszuschauen, wie unten auf der Bank Sonne zu tanken. Tatsächlich befinden wir uns im idyllischen Wedding – auf dem Terrain der deutschlandweit einzigen jüdischen Institution, die, seit zweieinhalb Jahrhunderten bestehend, das „Dritte Reich“ überdauert hat. Aber was ist heute noch „jüdisch“ an dem Komplex? 1756 war das Gemeindehospital in der Oranienburger Straße eröffnet worden, 1861 zog es um in einen Neubau an der Auguststraße, und als auch diese Häuser aus den Nähten platzten, 1914 an die Schulstraße im Wedding. Während der NS-Zeit wurde das Krankenhaus zum Ghetto, zur Deportationsstelle umgewidmet, dennoch konnten sich bis Kriegsende fast 1000 Personen dort verstecken.
Jetzt heißt die Adresse Heinz-Galinski-Straße. Die Nachkriegsgemeinde vermochte das Traditionsinstitut nicht mehr zu tragen, 1963 wurde daraus eine Stiftung bürgerlichen Rechts. So erscheint das eindrucksvolle Label heute entkernt, ungefähr wie die acht restaurierten, abgestrahlten Gebäude: Jüdisch ist nur die Geschichte, der Name sowie die als Raum der Stille (und bei Bedarf für Gottesdienste) genutzte Synagoge.
Mehr türkische als jüdische Patienten
Auf Wunsch gibt es koscheres Essen. Aber die Belegung des 305-Betten-Hauses spiegelt eher den typischen Wedding-Mix, sagt Krankenhaussprecher Gerhard Nerlich. Mehr türkische als jüdische Patienten. Zugleich entspreche es dem multikulturellen Konzept, dass hier schon mal Araber und Juden Hand in Hand durchs Grüne spazieren. Er sei seit 40 Jahren dabei, erzählt Nerlich, habe als Krankenpfleger angefangen. Dass er dieses Projekt, weil es „für alle offen ist“, großartig findet, glaubt man ihm. Das Personal, 540 Angestellte, sei nicht spezieller zusammengesetzt als sonst wo.
Zu den Schwerpunkten gehören Gefäßerkrankungen, die Neurologie mit viel Erfahrung in Suchttherapie, das Zentrum für Multiple Sklerose und eine Schlaganfallstation. 15000 Fälle wurden 2012 stationär, 13000 ambulant behandelt – Tendenz steigend. Die Diagnostik wird modern umgebaut, das Herzkathederlabor ist eine Raumstation mit zehn Monitoren – aber richtig schick, mit dunklem Holz auf den Zimmern, präsentiert sich erst eine von zwölf Stationen. Solche langen Flure mit schönem Linoleum baut heute keiner mehr. „Ihr Krankenhaus mit Herz“ lautet der Werbeslogan, dazu passt der Buddybär samt hüpfendem Herz im Foyer. Kritische Patienten sagen: zu wenig Komfort. Andere rühmen das freundliche Personal. Das gleicht auch Standortnachteile aus.
Jüdisches Krankenhaus, Heinz-Galinski-Straße 1, 13347 Berlin. Web: www.juedisches-krankenhaus.de
Dieser Beitrag ist Teil des Wedding-Blog des Tagesspiegel.
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