Stadtentwicklung: Anwohner wollen kein Einkaufscenter am Straßenstrich
Ein Investor plant Läden und ein großes Parkhaus an der Kurfürstenstraße. Der Bezirk hält die Sorgen vor einer „Fehlnutzung“ für berechtigt – jetzt gibt es eine Diskussionsveranstaltung.
Es soll kein großes Shoppingcenter werden und nur der Nahversorgung dienen, doch aus Sicht einiger Anrainer ist das Projekt „Kurfürstenzentrum“ trotzdem fehl am Platz. Der Neubau soll auf dem Parkplatz von Möbel Hübner an der Kurfürsten-/Ecke Genthiner Straße entstehen. Kritiker befürchten, Prostituierte und Freier vom Straßenstrich in der Umgebung könnten Sex in den drei geplanten Parkhausetagen mit 350 Stellplätzen haben. Der „Quartiersrat Magdeburger Platz/Tiergarten Süd“ aus elf Anwohnern, die das Quartiersmanagement in der Gegend unterstützen, warnt vor der „zu erwartenden Fehlnutzung“. Und auch Mittes Stadtentwicklungsstadtrat Carsten Spallek (CDU) spricht von „durchaus berechtigten Sorgen“.
Deshalb veranstaltet das Quartiersmanagement am Donnerstag einen Diskussionsabend, zu dem Investor Franz-Josef Glotzbach eingeladen ist. Spallek sagt, er habe diesen bereits auf die Befürchtungen hingewiesen. Das Parkhaus könne ja zum Beispiel mit „Rollgittern nach Geschäftsschluss gesichert werden“, schlägt der Stadtrat vor. Die Anwohner im Quartiersrat fragen darüber hinaus, ob ein Parkhaus mit 350 Stellplätzen überhaupt benötigt werde, schon jetzt stehe die Tiefgarage von Möbel Hübner weitgehend leer.
Umstritten ist auch die Fassade. Stadtrat Spallek findet den vorliegenden Entwurf „nicht gelungen“: Der Zweckbau wirke „banal“, durch das angedachte Muster aus vielen farbigen Rechtecken aber zugleich „uneinheitlich“. Weil das Gelände an der Bezirksgrenze zu Tempelhof-Schöneberg liegt, hat die dortige Bezirksverordnetenversammlung (BVV) bereits eine transparentere Fassade gefordert. Der Quartiersrat beklagt ebenfalls die „lange leblose Fensterfront“.
Von den vier geplanten Etagen soll nur das Erdgeschoss für Einzelhandel und Kleingastronomie genutzt werden – die Entwürfe zeigen Lebensmittelfilialisten und eine Drogeriemarktkette als Mieter. Auf Befürchtungen, der nahen Potsdamer Straße werde so Kaufkraft entzogen, reagiert Spallek gelassen. Es gebe kaum direkte Mitbewerber in der Umgebung, der Handelsverband habe keine Einwände erhoben, und auch dem Zentrenkonzept des Senats stehe das Vorhaben wegen seiner vergleichsweise geringen Verkaufsflächen nicht entgegen.
Entschieden ist noch nichts. Zur Bürgerbeteiligung liegt derzeit ein „vorhabenbezogener Bebauungsplan“ vor. Diesen habe nicht der Bezirk, sondern der Investor veranlasst und finanziert, betont Spallek. „Die politische Entscheidung fällt im Stadtplanungsausschuss und in der BVV.“ Grundsätzlich begrüße das Bezirksamt eine Entwicklung am Standort. Der Bauherr müsse aber wohl noch manches nachbessern und „scheint dazu auch bereit“. Von der Investorenfirma war keine Stellungnahme zu erhalten.
Anwohner hatten eine Ausbreitung des Straßenstrichs schon einmal befürchtet, als im einstigen Wegert-Haus an der Ecke Kurfürsten- und Potsdamer Straße ein „Laufhaus“ für gewerblichen Sex mit 48 Zimmern geplant war. Tempelhof-Schöneberg verweigerte aber die Baugenehmigung für die oberen Geschosse des Gebäudes, in dem es bereits ein Erotikkaufhaus und -kino gibt. Eine Klage gegen den Ablehnungsbescheid scheiterte 2010 vor dem Verwaltungsgericht, im vorigen Juni wies auch das Oberverwaltungsgericht die Beschwerde ab. Der Bezirk beschloss eine Veränderungssperre und einen neuen Bebauungsplan, um die Wohnhäuser entlang der Potsdamer Straße „vor störenden gewerblichen Nutzungen“ zu schützen.
– Der Diskussions- und Informationsabend zum Projekt beginnt am heutigen Donnerstag, 9. August, um 19 Uhr im Gemeindesaal der Zwölf-Apostel- Kirche an der Kurfürstenstraße. Der Bebauungsplan liegt bis zum 22. August beim Quartiersmanagement aus: Pohlstraße 91, Mo. bis Do. 9–16 Uhr, Fr. bis 12 Uhr, www.tiergarten-sued.de.
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