Flüchtlinge in Berlin: Angekommen in der Spandauer Kaserne
Die Begrüßung der Flüchtlinge in der früheren Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne in Spandau war herzlich. Doch es gibt auch Streit über die neu angekommenen Flüchtlinge.
"Willkommen in Berlin-Spandau", steht auf einem Plakat am Eingang der früheren Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne, auch auf Arabisch. Auf einem anderen steht in bunten Lettern "Welcome to Berlin". In Girlanden sind Luftballons ans Eingangstor gebunden. Es ist sonnig, aber kalt. "Benötigen Sie Kleiderspenden?", fragt ein Anwohner am frühen Montagmorgen. "Nein, danke, aber Decken und Kissen, auch Verteilersteckdosen", antwortet ein Mitarbeiter.
Nach und nach verlassen die ersten Flüchtlinge das Gelände. Sie seien gerade angekommen, erzählen zwei Männer aus Pakistan. Erst einmal seien sie glücklich, in Deutschland zu sein. Jetzt erkunden sie die Nachbarschaft. Gegenüber ist eine Polizeiwache, ein großer Supermarkt, eine Kirche. Einer der Neuankömmlinge ist der Syrer Mohammad al Saddiq. Er stamme aus Aleppo, sagt er, wo er drei Apotheken besessen habe.
"Ich habe alles verloren"
"Ich habe alles verloren. Trotzdem bin ich froh, nun in Deutschland zu sein, gerade nach den schlechten Erfahrungen in Ungarn." Jetzt hofft er, bald seine Familie wiedersehen zu können, die sich noch in der Türkei befindet. Er und drei Begleiter suchen ein Geschäft für Mobiltelefone. "Wir wollen unsere Angehörigen verständigen, sagen, dass es uns gut geht", sagt einer von ihnen. Unterwegs sind an dem kühlen Vormittag auch der 46-jährige Waad Sabah und seine 18-jährige Tochter Douaa. Beide sind im Juni 2014 aus dem irakischen Mossul geflohen, als der IS in die Stadt kam. Vor einigen Wochen hätten sie sich von Istanbul auf den Weg nach Europa gemacht. "Die Menschen in Deutschland haben uns so freundlich empfangen, alle sind so nett. Wir fühlen uns jetzt schon fast wie zu Hause", sagt die Tochter.
Hunderte Neuankömmlinge auch am Dienstag
Als in der Nacht auf Montag die ersten Busse aus Bayern in der Unterkunft der Schmidt-Knobelsdorf-Straße in Spandau angekommen sind, stand vor allem eines fest: Es werden mehr Flüchtlinge kommen, die Massenflucht über Ungarn ist lange nicht vorbei. An diesem Dienstag werden wieder hunderte Neuankömmlinge erwartet. Am Montagvormittag wurden zunächst fast 400 Männer, Frauen und Kinder in den Zelten auf dem Kasernengelände untergebracht, überwiegend aus Syrien, Irak und Afghanistan.
Weitere 310 Flüchtlinge kamen noch am selben Tag aus Eisenhüttenstadt in Spandau an. In dem Ort in Brandenburg waren zuvor fast 900 Flüchtlinge mit einem Sonderzug aus München angekommen. Und damit ist auch die Kasern wieder voll belegt. Die Zeltunterbringung dort ist ohnehin nur bis Oktober als Übergang geplant. Die Zelte mit Plastikplanen sind nicht beheizbar.
Die Malteser sind mit Ärzten und Sanitätern im Einsatz
Die Malteser teilten mit, sie seien mit mehr als 25 ehrenamtlichen Sanitätern und zwei Ärzten im Einsatz. Auch das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) ist seit Montag mit mehreren Teams vor Ort, um die Flüchtlinge zu registrieren, unterstützt von Dolmetschern. Der eigentlich Sitz des Amtes in der Moabiter Turmstraße gilt seit Monaten als überlastet.
Erneute Krisensitzung der Senatsexperten
Am Montagnachmittag kamen die Senatsexperten erneut zu einer Krisensitzung zusammen. Die Senatssozialverwaltung teilte mit, dass man angesichts der weiter in Berlin zu erwartenden Flüchtlingen auch auf Kapazitäten zurückgreifen müsse, „die normalerweise für die Unterbringung der Bevölkerung in schwierigen Situationen vorgesehen sind“. Die Bezirke wurden gebeten, so schnell wie möglich geeignete Objekte zu nennen – auch Sporthallen.
Die für die Unterbringung von Flüchtlingen vorgesehenen Hangars 1 und 2 des Flughafens Tempelhof lassen sich nach Auskunft der Senatssozialverwaltung nicht so schnell wohnlich ausbauen. Die Idee: In den 12 bis 15 Meter hohen Hangars sollen innen Zeltdörfer, ähnlich wie in Spandau, errichtet werden. Doch beheizbar sind dann auch diese Zelte wohl nicht. Auch die Versorgung mit Wasser, mit sanitären Anlagen ist logistisch noch nicht geklärt. Insgesamt 50 Liegenschaften stehen noch als neue Flüchtlingsunterkünfte in Berlin auf einer Liste.
Starke Kritik an Frank Henkel
Am Montag äußerte sich auch Innensenator Frank Henkel (CDU) zur Lage: "Die Welle der Hilfsbereitschaft, mit der die Flüchtlinge aus Ungarn bei uns begrüßt werden, ist sehr erfreulich." Darüber hinaus brauche es eine klare Strategie. Er begrüße deshalb die Ergebnisse des Koalitionsgipfels der Nacht zuvor. Der Grünen-Innenexperte Benedikt Lux griff den Innensenator im Innenausschuss am Montag scharf an: "Henkel kümmert sich zu wenig um die Flüchtlinge." Es reiche nicht, über die Zahl der Zelte zu sprechen, sagte Lux: "Henkel müsse fragen, welches Potenzial in die Stadt kommt." Hakan Tas von der Linkspartei kritisierte im Ausschuss, dass er als Abgeordneter in der Nacht zu Montag "vom Gelände geschmissen" worden sei, als er die Flüchtlinge in der Spandauer Kaserne begrüßen wollte.
Die grüne Abgeordnete Canan Bayram berichtete auf Twitter, dass sie gemeinsam mit Tas Hausverbot vom Sicherheitsdienst auf dem Kasernengelände erhalten habe und deshalb die Polizei eingeschaltet habe. Diese habe festgestellt, dass der Wachschutz dazu keine Befugnis habe und die Abgeordneten aufs Gelände gelassen. Auch Bayram kritisierte, dass Henkel "kein Interesse an dem Thema" habe.
Flüchtlinge auch Thema im Abgeordnetenhaus
Die Grünen haben jetzt eine bessere Zusammenarbeit zwischen Ausländerbehörde und Lageso vorgeschlagen, damit Flüchtlinge kürzere Wege in der Stadt hätten. "An dieser Diskussion beteiligt sich Henkel nicht einmal", sagte Bayram. In Berlin gibt es derzeit 64 Flüchtlingsheime. Fast 19000 Männer, Frauen und Kinder leben in diesen Sammelunterkünften. Dazu kommen fast 10000 Flüchtlinge in Mietwohnungen und rund 1500 in Hostels. Außerdem dürften Tausende – registriert oder nicht registriert – bei Verwandten und Bekannten untergekommen sein.
In der Bertolt-Brecht-Oberschule in Spandau, wenige hundert Meter von der neuen Flüchtlingsunterkunft entfernt, läuft derweil Hilfe für die Flüchtlinge an, eine Gruppe koordiniere den Einsatz, berichtet Schulleiter Burkhard Möller. Bereits im März hätte die Schule Hilfe für die Notunterkünfte organisiert. Und: "Wir haben ja selbst eine Willkommensklasse mit 14 Schülern. Wir heißen nun unsere neuen Nachbarn willkommen."
Der Umgang mit Asylbewerbern wird am Donnerstag auch Thema im Abgeordnetenhaus sein: "Berlin hilft den Flüchtlingen: Für ein menschliches, weltoffenes und demokratisches Berlin" lautet das Thema der Aktuellen Stunde im Plenum.