Mord am Alexanderplatz: Angehörige von Jonny K. fühlen sich allein gelassen
Nach dem gewaltsamen Tod von Jonny K. fühlen sich seine Angehörigen von den Behörden im Stich gelassen. Unterstützung kommt jetzt von einer anderen Opferfamilie.
Die Familie von Jonny K. hat sich nach Tagesspiegel-Informationen am Mittwoch an einen „abgeschiedenen Ort“ außerhalb Berlins begeben, um dort in Ruhe zu trauern. Menschen, wie die Angehörigen des 20-Jährigen, die auf so schreckliche Weise einen Menschen verloren haben, benötigen oftmals professionelle Hilfe, um das Erlebte zu verarbeiten. Die Polizei hat in diesem Fall den Hinterbliebenen Kontakte vermittelt, wo sie „seelsorgerische und psychologische Hilfe erhalten können“, hieß es im Präsidium. Die ermittelnde Mordkommission sei für die Familie jederzeit erreichbar und hält auch selbst den Kontakt zu den Hinterbliebenen – allein schon, weil sich immer wieder einmal Rückfragen hinsichtlich der Ermittlungen ergeben. „Es wird niemand allein gelassen mit seiner Trauer“, versichert ein Polizeibeamter.
Jonnys Vater Lothar-Günther K. empfindet das anders. Er sagt: „Ich fühle mich total allein. Von der Polizei hat mir niemand Hilfe angeboten.“ Auch Velin Marcone kennt das Gefühl des Alleinseins, nachdem vor einem Jahr sein Bruder Giuseppe, 23, am Kaiserdamm auf der Flucht vor U-Bahn-Schlägern zu Tode kam. „Wir sind von den Berliner Behörden komplett allein gelassen worden und haben von niemandem professionelle Hilfe erhalten. Zum Glück haben wir einen großen Freundes- und Bekanntenkreis und sind dort sehr unterstützt worden“, sagte der 29-Jährige, der jetzt die Berliner Giuseppe-Marcone-Stiftung leitet, dem Tagesspiegel. Die Mordkommission habe ihnen zwar damals professionelle Hilfe empfohlen und auch eine Adresse hinterlegt. Doch es sei sehr mühsam und mit viel Arbeit verbunden gewesen, die Hilfe auch tatsächlich zu bekommen.
Dabei sei gerade die erste Trauerphase die schwierigste Zeit für die Angehörigen und Unterstützung besonders wichtig. Aus diesem Grund hat die Familie des verstorbenen Giuseppe der Familie von Jonny K. in einem an dem Gedenkort am Alexanderplatz niedergelegten Brief ihre Unterstützung angeboten. „Wir sind jederzeit für die Angehörigen da, wenn sie es wollen. Damals haben wir am eigenen Leib erfahren, wie schön es ist, mal mit jemandem reden zu können, der ein ähnliches Schicksal erlebt hat.“
Auch die 18-jährige V., eine Freundin aus Spandau, ist noch immer völlig geschockt. Sie habe erst aus den Medien von dem Tod ihres Freundes erfahren. „Wir sind immer gemeinsam zur Schule gefahren. Am Montag stand ich allein am Bahnsteig und habe mich gewundert, warum Jonny nicht kommt.“ Als sie sich kurze Zeit später am Kiosk eine Zeitung geholt habe, habe sie die traurige Wahrheit gelesen. „Ich habe immer wieder gedacht, das darf nicht wahr sein. Nicht Jonny! Er war so ein lieber Kerl und hat keiner Fliege etwas zuleide getan.“ Die junge Frau geht offensiv mit ihrer Trauer um. „Ich muss viel darüber reden. Die Traurigkeit muss raus“, sagt sie. Zum Glück habe sie Freunde und Familie, mit denen sie darüber sprechen könne. Sie besucht den Ort, an dem ihres Freundes gedacht wird, um das schreckliche Geschehen zu verarbeiten. „Ich habe Jonny Rosen mitgebracht. Die mochte er so gerne.“ Sie legt den Strauß zwischen die anderen Blumen, Bilder, Briefe und Kerzen und faltet die Hände. Minuten lang bleibt sie schweigend zwischen den vielen anderen, zum Teil fremden trauernden Menschen stehen. „Mach’s gut, Jonny“, flüstert sie leise.
Einen Menschen zu verlieren, hinterlässt große seelische Narben, das weiß auch Velin Marcon: „So etwas begleitet einen ein Leben lang. Das Einzige, was man tun kann, ist zu versuchen, jeden Tag besser damit umzugehen.“