Streit um polnisches Medizinstudium: Angehende Ärzte kapitulieren vor Brandenburger Behörden
Fast 25 Mediziner ziehen Antrag auf Approbation zurück – dabei sucht das Land dringend Ärzte. Der Landtag fordert „Ausnahmeregelungen“.
Der Streit um die polnischen Medizinabschlüsse deutscher Absolventen eskaliert. Wie der Tagesspiegel am Donnerstag erfuhr, ziehen drei Nachwuchsmediziner ihre Anträge auf Approbation in Brandenburg zurück. Das geht aus einem Anwaltsschreiben an das zuständige Landesamt für Gesundheit in Zossen hervor, das der Landesregierung in Potsdam untersteht.
Die drei Absolventen werden vom Berliner Anwalt Jörg Heynemann vertreten. Er sagte auf Nachfrage: „Dies ist eindeutig ein Zeichen des Protests. Und 20 weitere, ebenfalls fertig ausgebildete Mediziner werden in Brandenburg erst gar keinen Antrag auf Zulassung stellen.“ In Brandenburg herrscht Ärztemangel, insbesondere in kleineren Kommunen fehlen Mediziner.
Wie berichtet, erteilen hiesige Behörden seit Sommer 2019 deutschen Absolventen polnischer Medizinstudiengänge nicht mehr automatisch die Approbation. Grund dafür ist die EU-Richtlinie über die Berufsqualifikationsanerkennung, die nun so ausgelegt wird, dass die in Polen vorgeschriebenen Zertifikate „Lek“ und „Stasz“ verpflichtend zum Studium gehören.
In Polen studierende Bundesbürger bräuchten demnach diese Titel, um in Deutschland als Ärzte zu arbeiten. Beim „Lek“ geht es um polnisches Recht, „Stasz“ ist ein 13-monatiges Praktikum.
Anwalt Heynemann hatte vor einigen Wochen den EU-Rechtsexperten Stefan Korte um ein Gutachten dazu gebeten. In einem 15-seitigen Schreiben hatte Korte, der als Jura-Professor an der TU Chemnitz lehrt, dargelegt: Die Studienabschlüsse in Deutschland und Polen seien auch ohne die polnischen Zertifikate „Lek“ und „Stasz“ gleichwertig, die beiden Zusatztitel also für Ärzte in Deutschland unnötig. Die Brandenburger Behörden haben sich Kortes Auffassung nicht angeschlossen.
Spahn in Kontakt mit dem polnischen Ministerium
Der Potsdamer Landtag forderte die rot-schwarz-grüne Koalition am Donnerstag auf, mit dem Bund und Polen „alternative Ansätze“ zu prüfen - beispielsweise Ausnahmeregelungen wie sie Österreich und Frankreich mit der EU-Kommission vereinbart hätten.
„Wir bemühen uns, den Ärztemangel zu beheben, aber trotzdem unsere Qualifikationen hier aufrechtzuerhalten“, sagte Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). An der Suche nach weiteren Lösungen sei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beteiligt. „Er steht auch weiter in Kontakt mit dem polnischen Ministerium.“
Unklar ist, ob die Absolventen in anderen Bundesländern um Approbation bitten werden – bundesweit heißt es in Zulassungsstellen, man wolle abwarten, wie das Bundesgesundheitsministerium die Lage beurteilt. Eigentlich sind für Approbationen die Bundesländer zuständig, doch die dortigen Beamten wünschen sich klare Bundesvorgaben.
Basis der Debatte sei schließlich eine EU-Richtlinie, so der Tenor, die einst von nationalen Regierungen vereinbart worden ist. Deshalb sollten Spahn und sein Amtskollege in Warschau die Richtlinie neu interpretieren oder überarbeiten lassen.