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In den Wahlämtern der Bezirke werden die Unterschriften mit dem Meldregister abgeglichen. Ist ein Name unleserlich oder fehlt das Geburtsdatum, kann mit Hilfe der Software trotzdem die Identität ermittelt werden.
© Mike Wolff

Volksbegehren Tempelhofer Feld: Anfällig für Mauscheleien

233 000 Unterschriften wurden abgegeben. Die Bezirke prüfen, ob es die Personen auf den Listen wirklich gibt. Ob sie auch selber unterschrieben haben, spielt keine Rolle.

Die Prüfung der Unterschriftenlisten für das Volksbegehren Tempelhofer Feld ist offenbar anfällig für Manipulationen. Nach internen Vorgaben, die dem Tagesspiegel vorliegen, ist es nicht zwingend notwendig, Vornamen oder Geburtsdaten anzugeben. Identitäten können also aus öffentlich zugänglichen Quellen abgeschrieben werden. Die geleisteten Unterschriften werden bei der Prüfung nicht mit amtlichen Dokumenten abgeglichen.

„Dann kann ich auch das Telefonbuch abschreiben“, empört sich der Neuköllner Stadtrat für Bürgerdienste Thomas Blesing (SPD). Er hält die Vorgaben für viel zu lax. Die Wahlämter in den Bezirken seien an die Prüfkriterien der Landeswahlleiterin gebunden. Dort heißt es: „Ist die eingetragene Person trotz der fehlenden oder fehlerhaften Angaben ohne großen Aufwand feststellbar, ist die Unterschrift gültig.“ In der Praxis reicht oft schon der Nachname plus Adresse, um eine Person im Melderegister eindeutig nachzuweisen.

Verfahren ist "anfällig für Manipulationen"

Die Sammler von Unterschriften dürfen selber fehlende Angaben ergänzen oder korrigieren, heißt es in dem internen Papier weiter. „Es erscheint nicht praktikabel, für die Gültigkeit der Unterschrift den Nachweis zu verlangen, dass die Ergänzung oder Korrektur in Absprache mit dem Abstimmungsberechtigten oder durch diesen selbst erfolgt ist.“

Die Landeswahlleiterin, Petra Michaelis-Merzbach, erklärte dazu: „Ich räume ein, dass das Verfahren anfällig ist für Manipulationen.“ Die internen Prüfkriterien basierten auf ihrer persönlichen Auslegung des Landesabstimmungsgesetzes, das sehr volksbegehrenfreundlich abgefasst sei. Sie sei bereit, über diese Auslegung zu diskutieren, wenn es Kritik aus den Bezirken gebe. Dennoch hält sie es für „wenig wahrscheinlich, dass im großen Umfang Unterschriften gefälscht wurden“. Sie gehe davon aus „dass die Bürger rechtstreu sind. Wer Unterschriften fälscht, macht sich strafbar.“

Allerdings lassen sich Fälscher kaum überführen. Michaelis-Merzbach erklärte, es seien bereits Fälle der Staatsanwaltschaft übergeben worden, wenn beispielsweise fünf Unterschriften nacheinander in gleicher Schreibweise abgefasst wurden. Was aus der Anzeige geworden ist, wisse sie nicht.

Die Senatsinnenverwaltung bestätigt das Prüfverfahren in den Wahlämtern. Dass auch fehlende Geburtsdaten akzeptiert werden, wenn die übrigen Angaben zur Identifizierung ausreichen, beruhe auf den Vorgaben des Abstimmungsgesetzes. Die konkreten Prüfkriterien seien mit der Innenverwaltung abgestimmt. Sie seien auch bei früheren Volksbegehren angewendet worden.

Der Pankower Stadtrat Torsten Kühne (CDU) legt die Vorschriften für sein Wahlamt restriktiver aus. „Wenn das Geburtsdatum vollständig fehlt, würde die Unterschrift als ungültig gezählt.“ Nur bei einer fehlenden Hausnummer oder Postleitzahl werde anders verfahren.

25 Prozent Mehrfachunterzeichner

Rund ein Fünftel der rund 19 000 Unterschriften, die in Pankow geprüft wurden, seien ungültig. Nur in drei Prozent aller ungültigen Unterschriften seien falsche oder gar keine Angaben gemacht worden. In 30 Prozent der Fälle seien die Unterzeichner nicht-deutscher Staatsangehörigkeit, 25 Prozent seien Mehrfachunterzeichner, ein weiteres Viertel habe den Hauptwohnsitz außerhalb Berlins.

Die Initiative „100 Prozent Tempelhofer Feld“, die das Volksbegehren organisiert hat, wehrt sich gegen den Eindruck, es sei in größerem Ausmaß betrogen worden. „Wir haben immer darauf geachtet, dass die Unterzeichner auch ihr Geburtsdatum angeben“, sagt Kerstin Meyer vom Kampagnenbüro des Volksbegehrens. Eine Reihe von Unterstützern hätten aber Zweifel gehabt, dass mit ihren Daten anschließend korrekt umgegangen werde, und deshalb auf eine Unterschrift verzichtet.

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