Der Karneval in Berlin und sein Schirmherr: Am Ku'damm sind die Narren los
Um 11.11 Uhr geht der Karnevalsumzug am Ku'damm los. Schirmherr ist Charlottenburg-Wilmersdorfs Rathaus-Chef. Lesen Sie hier, warum das für ihn eine Herzenssache ist.
Der Karneval war sein Schicksal. Und das entschied sich für Reinhard Naumann 1993, jedenfalls in der Liebe. Dabei war es eher Zufall, dass der gebürtige Berliner, der seit 2011 SPD-Bezirksbürgermeister Charlottenburg-Wilmersdorf ist, an jenem Rosenmontag nach Köln geriet. Im Anschluss an eine politische Tagung in Nordrhein-Westfalen war er – je nach Sichtweise – zu einem vergnüglichen Ausklang oder einer ethnologischen Studie eingeladen. Es ging darum, den rheinischen Karneval live und in Farbe kennenzulernen.
Der Mann, mit dem er später eine feste Partnerschaft eingehen sollte, fiel ihm beim Umzug sofort auf. Er weiß sogar noch, dass Markus damals eine blaue Jacke trug. Dabei war der gebürtige Kölner eigentlich ein Karnevalsmuffel, war von Freunden nur überredet worden, mal eine Pause einzulegen in den damals anstehenden Prüfungsvorbereitungen. Es war ein klirrend kalter Tag, bald zog man sich von der Straße in eine Kneipe zurück, trank etwas zusammen.
Mit Markus ist Reinhard Naumann seit jenem Tag zusammen. Zuerst war es eine Fernbeziehung, inzwischen lebt sein Partner auch in Berlin. Bis zu jenem Februartag hatten sich Naumanns Karnevalserfahrungen auf Kindheitserlebnisse beschränkt. Da trug er immer ein von der Mutter selbst genähtes Jägerkostüm, obwohl er viel lieber als Indianer oder Cowboy gegangen wäre. Der gebürtige Berliner hatte sonst keine weitere Affinität zu dem Thema.
Er kann das Ritual genau erklären
Das hat sich geändert durch das extrem positiv besetzte Erlebnis beim Rosenmontagszug in Köln. Heute ist Reinhard Naumann sogar Schirmherr des Berliner Karnevals. Während sich der Regierende Bürgermeister auf Karnevalstraditionen, die auch nach Rathauseroberung verlangen, bislang nicht einlässt, geht es in Charlottenburg-Wilmersdorf schon zum offiziellen Auftakt hoch her. Am 11.11. um 11.11 Uhr haben die Jecken, wie es das närrische Brauchtum verlangt, das Charlottenburger Rathaus gestürmt, inklusive „Bützchen“ und symbolischer Übernahme der Rathauskasse.
Naumann kann das Ritual genau erklären. Schließlich nennt er bereits um die 100 Karnevalsorden sein eigen. Was nicht heißt, dass er zu jeder Sitzung geht, zu der er eingeladen wird. Am Sonntag aber, wenn der Karnevalszug nach längerer Pause wieder stattfindet, ist der 55-Jährige natürlich mit dabei – und zwar an vorderster Front. Naumann fährt auf dem Prinzenwagen mit. Einschlägiges Liedgut beherrscht er zwar nicht so gut. Höhner-Lieder werden einem, der im Krankenhaus Waldfriede geboren wird, halt nicht an der Wiege gesungen.
Berlin wird nie eine Karnevalshochburg
Aber Kamellen schmeißen, das kann er, das macht ihm auch Spaß. Seine persönliche Liebesgeschichte ist nicht der einzige Grund, warum der Bürgermeister sich heute für Karneval interessiert. Das hat durchaus auch soziale Gründe: „Ich habe ein großes Herz für schützenswerte Minderheiten“, sagt er. Ihm ist völlig klar, dass Berlin nie eine Karnevalshochburg werden kann, da stehen sich das Rheinische und das Preußische mit völlig unterschiedlichen Traditionen gegenüber. Karneval und Berlin, das beißt sich ja geradezu.
Eigentlich ist das Thema erst durch die vielen rheinischen Zuzügler nach dem Regierungsumzug aktuell geworden. Aber Naumann sieht auch Gemeinsamkeiten. Und die liegen in der Toleranz. Zum preußischen „Jeder soll nach seiner Façon selig werden“ passt das Kölsche „Jeder Jeck ist anders“. Und zur persönlichen Rosenmontagsgeschichte von Reinhard Naumann passt die Tatsache, dass Rosenmontag 1993 auf den 14. Februar fiel – den Valentinstag.