Rundfunkzentrum Nalepastraße: Alle Verwerfungen der Geschichte
Bauhaus, KZ Buchenwald, das zerstörte Nachkriegs-Dresden: Franz Ehrlich, Architekt des Rundfunkzentrums an der Nalepastraße, soll nun ein Denkmal erhalten.
Berlin/Dresden - Noch wird aufgeräumt im ehemaligen DDR-Rundfunkzentrum an der Berliner Nalepastraße. Seit das denkmalgeschützte Ensemble Anfang Oktober für 3,5 Millionen Euro den Besitzer wechselte, wird dem Komplex mit Spreeblick für knapp drei Millionen Euro neues Leben eingehaucht. Frühjahr 2007 soll es eine Wiedereröffnung als Medienzentrum geben. Eine Ecke des lange als Zankapfel bekannten Areals wird dann seinem Schöpfer gewidmet: Franz Ehrlich (1907-1984), einem vergessenen deutschen Architekten.
"Onkel Franz' Biografie spiegelt alle Verwerfungen deutscher Geschichte des vorigen Jahrhunderts", sagt seine in Dresden lebende Nichte Ursula Wasinski. Bezeichnend daher die Stationen seines Lebenswegs: das Bauhaus Dessau, Berlin, das KZ Buchenwald, das zerstörte Nachkriegs-Dresden. Und immer wieder Leipzig. Dort stand seine Wiege. Der Vater, ein alter Sozialdemokrat, führte strenges Regiment. Die Söhne Franz und Willi kamen früh mit linken Jugendgruppen in Berührung, Franz bewarb sich 1926 im Bauhaus von Walter Gropius. Binnen kurzer Zeit gelangte Ehrlich zu einem eigenen Atelier und in den Status eines "Mitarbeiters".
Assistent beim Bau der Gewerkschaftsschule in Bernau
Ebenfalls noch in studentischer Zeit ließ ihn Bauhausdirektor Hannes Meyer beim Bau der Gewerkschaftsschule in Bernau bei Berlin assistieren. Sie sollte zum größten Bauhausbau nach Dessau werden und wurde bis 2006 saniert. 1929 durfte Ehrlich parallel am "Haus des deutschen Rundfunks" für Hans Poelzig in der Berliner Masurenallee arbeiten. Kurz nach Ausbildungsende kehrte der Junior-Architekt nach Auseinandersetzungen dem Bauhaus den Rücken, konnte aber dennoch in Gropius' Berliner Büro zeichnen.
1933 ging er zurück nach Leipzig. "Dort arbeitete Franz als künstlerischer Leiter des Verlages Otto Beyer", berichtet Ursula Wasinski. Offiziell. "In Wirklichkeit entstehen mit Hilfe seines Bruders Willi kommunistische Jugendblätter." 1934 dann die Zäsur. Wegen illegaler politischer Arbeit wurden Franz und Willi ins Zwickauer Zuchthaus gebracht. "September 1937 kam Franz Ehrlich ins Lager Buchenwald", sagt Gedenkstätten-Sprecherin Ursula Hertel. "Als Unterstellter des SS-Baubüros musste er die Kommandantenhäuser, das Casino und Kasernen errichten." Im Oktober 1939 durfte er das Lager verlassen und ging nach Berlin.
Jugoslawische Kriegsgefangenschaft
1943 wurde Ehrlich in das Strafbataillon 999 gesteckt, dem "wehrunwürdige" politische Gefangene und Kriminelle angehörten. Und überlebte den Einsatz. Aus jugoslawischer Gefangenschaft kehrte er 1946 zurück, ging ins fast völlig zerstörte Dresden und fing im dortigen Amt für Wiederaufbau als Referent an. "Seine Personalakte reicht jedoch nur von Herbst 1946 bis Dezember 1947", erklärt eine Sprecherin des Dresdner Stadtarchivs. "Grund war eine Art Abmahnung, die Ehrlich für ein unangemeldetes Interview mit ADN von SED-Oberbürgermeister Walter Weidauer erhielt."
Noch immer sind Ehrlichs Amtshandlungen nicht unumstritten. Historiker Matthias Lerm zitiert im Buch "Abschied vom alten Dresden" (Forum Verlag, 1993) Ehrlichs radikale Haltungen zum Wiederaufbau des sächsischen Landtages und zur vermeintlichen Nutzlosigkeit einer Abdeckung der zerstörten Semperoper.
Neffe will Konzept für Gedenkstätte erarbeiten
Trotzdem blieb Ehrlich in Dresden, plante als freier Architekt eine Siedlung für Eisenhüttenstadt, entwarf die Hellerauer Möbelserie 602, baute Schulen und die neue Uni in Leipzig mit. Als Technischer Direktor des Betriebs für Industriebauten hatte er Anteil an den Werften Wismar und Stralsund. 1963 wurde er Chefarchitekt der Leipziger Messe, 1968 Chefdesigner in Hellerau. Ende der Siebziger verantwortete er noch die Bebauung am Roten Rathaus in Berlin.
Die für sein 1956 fertig gestelltes Meisterwerk Nalepastraße geplante Gedenkstätte kann unterdessen auf familiäre Unterstützung hoffen: Großneffe Thomas studiert in direkter Nachbarschaft Museologie. Für die Erinnerung an Onkel Franz will er das Konzept mit erarbeiten. (tso/ddp)
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