Weihnachten und Silvester: Alle Jahre wieder
Baum, Bescherung, Böller: Die Zeit der Rituale hat begonnen. Was unsere Jugendblog-Redakteure auch diesmal erwarten – oder lieber nicht.
Es geht nicht ohne Lametta
„Nächstes Jahr kommt wieder der aus der Tüte“, brüllt mein Vater verärgert und kämpft mit dem Baum, der nicht so recht stehen will. Überall Nadeln auf dem Teppich. Der Spruch feiert seine jährliche Auferstehung am Heiligabend, oder besser: am Heiligvormittag, wenn Ruhe und Besinnlichkeit noch ganz weit weg sind. Mit „der aus der Tüte“ ist ein künstlicher Weihnachtsbaum gemeint, der sonst das Jahr über im Keller eben leider nicht vor sich hin rottet - und dennoch muffig riecht. Seine Drahtäste sehen aus wie grüne Bürsten. Selbst für den größten Unromantiker ist der Anblick kaum zu ertragen.
Zum Glück hat sich in den vergangen Jahren immer meine Mutter durchsetzen können und meinen Vater beauftragt, eine echte Tanne zu besorgen. Obwohl wir eine handwerklich begabte Familie sind, gehört der schiefe Baum irgendwie zum Ritus. Was waren das noch für aufregende Zeiten, als mein – gern als Weihnachtsmann gebuchter – Opa die Äste seines echten Baums an die Wand nagelte, um ihm wenigstens etwas Stabilität zu geben. Einmal passierte es dann doch: Das Ding fiel auf die Festtafel. Irgendwo darunter war Oma.
Der technischen Innovation sei Dank, ist unser moderner Weihnachtsbaumständer Balsam für Vaters Nerven. Seine traditionelle Tobsucht hält sich nun in Grenzen, auch wenn es ohne Stress und Hektik wohl nie gehen wird. Und überall diese Nadeln. Nicht ganz ohne geht es auch bei einem anderen, ähnlich ideologisch geführten Streit, bei dem sich meine Mutter aber nie durchsetzen wird: Lametta. Davon kommt reichlich auf dem Baum. Ein bisschen Künstlichkeit muss sein. Henrik Nürnberger
Bescherungsmarathon
Das Schönste am Heiligabend ist die Bescherung. Davon gibt es bei mir in der Familie nicht nur eine, sondern gleich drei. Obwohl ich 20 Jahre alt bin, freue ich mich wie ein kleines Kind auf das Fest, das bei uns immer derart harmonisch verläuft, dass es schon kitschig ist. Meine Eltern wünschen sich jedes Jahr von mir und meinen drei Geschwistern nicht mehr als „aufgeräumte Zimmer“ und „artige Kinder“.
Nach dem obligatorischen Kirchenbesuch geht es also los mit Bescherung Nummer eins. Im Zimmer meines Bruders steht ein zerzauster Mini-Weihnachtsbaum mit einer Lichterkette, den er geschenkt bekommen hat, als er mit Papa den großen Baum ausgesucht hat. Darunter liegen alle Geschenke von meinen drei Geschwistern und mir - füreinander und für Eltern und Großeltern. „Wie uneigennützig, dass die Kinder erst an die anderen denken und dann an sich“, sagt Mama dann immer gerührt und freut sich über ihre artigen Kinder.
Bei Bescherung Nummer zwei gibt es die Geschenke meiner Eltern. Ein Weihnachtsglöckchen gibt das Signal, dass wir die Stube mit dem Tannenbaum betreten dürfen. Bevor es die Erlaubnis zum Auspacken gibt, zwingen uns meine Eltern, „Ihr Kinderlein kommet“ zu singen. Mit vor Kaminwärme und Aufregung erhitztem Gesicht läuft mein kleiner Bruder zu allen Geschenken und sucht sich seine raus. Auf den Zetteln steht statt eines Namens immer ein Rätsel, noch dazu in Sütterlin. „Schneeschieber“ ist für meinen Bruder, „Reisekoffer“ für mich. Ein alter Familienwitz ist, den Inhalt eines Geschenks falsch zu raten. „Das sind bestimmt Socken”, sagt Papa, wenn er ein besonders schweres, hartes Geschenk auspackt, obwohl offensichtlich ein Buch drin ist.
Meine Großeltern wohnen im selben Haus. Als ob wir nicht schon genug Geschenke bekommen hätten, gibt es dort Bescherung Nummer drei. Nach diesem Marathon fallen wir spät ins Bett. Am nächsten Tag müssen wir ja ausgeschlafen sein. Denn dann kommen die anderen Großeltern mit einem großen Korb mit Geschenken: Bescherung Nummer Vier! Luisa Meyer
Jährliche Flucht aus der Weihnachtswunderwelt
Jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit fiebere ich den Feiertagen entgegen – aber nicht, weil ich es kaum erwarten kann, das Geschenkpapier aufzureißen und Weihnachtslieder zu trällern, sondern weil ich mich auf einen familiären Kurztrip fernab meines Wohnortes freue. Denn ich gehöre einer Minderheit selbsterklärter Weihnachts-Antifanatiker, Konsum-Kritiker, Hektik-Hasser und Weihnachtsbaum-Retter an, die es schwer hat im dezemberlichen Deutschland.
Ich bin nicht gegen Weihnachten, ich bin gegen das „zu viel“ bei Weihnachten. Denn überlegen wir mal ganz rational: An Weihnachten feiern wir die Geburt Jesu. Was hat das mit Coca-Colas Weihnachtsmann und einem Haufen aufgezwungener Geschenke zu tun? Sollten nicht eigentlich Werte wie Genügsamkeit im Vordergrund stehen? In der Realität tritt Maßlosigkeit an ihre Stelle. Wenn ich gläubig wäre, würde mich das traurig stimmen.
Was mich tatsächlich traurig macht, ist aus einer Umfrage zu erfahren, jeder Fünfte sei der Meinung, an Weihnachten sei der Geburtstag des Weihnachtsmanns. Was mich auch traurig macht, ist der ausufernde Geschenke-Kaufzwang. Was mich weiter traurig macht, sind ganze Straßenzüge toter Weihnachtsbäume gleich einem riesigen Friedhof. Der Gipfel des unnötigen Weihnachtskonsums! Ich will kein Teil davon sein. Weil ich aber kein Grinch sein möchte, der den anderen ihre Weihnachtsstimmung vermiest, trete ich lieber die Flucht an. Maria Merk
(K)ein Tag wie jeder andere
Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Bei Silvester kommt es aber vor allem darauf an, wie man es feiert: Feuerwerk größer und lauter als jeder Nachbar, Alkohol en masse und vor allem mit den wildesten Geschichten gilt es, das neue Jahr zu beginnen. Sonst kann man die nächsten 365 Tage glückstechnisch komplett vergessen, flüstert uns unser Karma zu. Pünktlich, wenn Lebkuchen in Supermarktregalen auftauchen (also Mitte September), beginnt auch schon die Planung für den 31. Dezember. Veranstaltungsportale werden durchforstet und jeder Mensch des Bekanntenkreises intensiv befragt. Irgendwo muss sie doch lauern, die unvergessliche Party, die das neue Jahr einläuten kann.
Spätestens drei Wochen vor Silvester kommt echte Panik auf, wenn noch nichts Optimales gefunden ist. Vielleicht sollte man wegfliegen, um die Schmach eines öden Silvesters zu umgehen? Seien wir mal ehrlich: Der erwartete geilste Abend des Jahres wird Silvester nie - Planung hin oder her. Das Ergebnis des Bleigießens ist immer wieder undefinierbar, draußen klamme Kälte und eine Stadt voll von Betrunkenen und durch sie bedingte Rettungseinsätze. Sobald es dunkel wird, hört es sich auf den Straßen an, als herrsche Krieg, spätestens um halb eins sieht es auch so aus. Stellen wir uns also mal vor, es ist Silvester und keiner geht hin: selige Ruhe, ein gemütlicher Winterabend. Statt eines elendigen Katers ist das einzige Problem am nächsten Morgen, sich beim Schreiben des Datums an 2016 zu gewöhnen. Marlene Resch
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Luisa Meyer, Maria Merk, Henrik Nürnberger, Marlene Resch
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