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Schwerer Job. Berlins Feuerwehrleute sind Retter in höchster Not. Trotzdem werden sie selbst häufig zu Opfern.
© Britta Pedersen/dpa
Update

Bilanz der Berliner Feuerwehr 2019: Alle 66 Sekunden ein Einsatz, alle 42 Stunden ein Angriff

2019 fuhr die Feuerwehr so viele Einsätze wie noch nie, gleichzeitig stieg die Zahl der Übergriffe. Bodycams sollen die Feuerwehrkräfte künftig schützen.

Wer erinnert sich nicht an den großen Stromausfall in Köpenick im Februar vergangenen Jahres? 30 Stunden war die Feuerwehr im Einsatz, inklusive Räumung einer Intensivstation, es waren 31 000 Menschen betroffen, zwei Krankenhäuser, ein Hospiz und fünf Pflegeheime.

„Dieser Stromausfall hat uns alle unsere Verletzlichkeit spüren lassen und vor Augen geführt, wie abhängig wir alle von der Energieversorgung sind und wie anfällig unsere hochtechnisierte Gesellschaft ist“, sagte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag bei der Vorstellung der Jahresbilanz der Feuerwehr.

Die Berliner Feuerwehr ist im vergangenen Jahr fast eine halbe Million Einsätze gefahren, im Schnitt einen alle 66 Sekunden – ein neuer Rekord. Die allermeisten davon waren Rettungseinsätze. Alle drei Stunden wurde eine Person reanimiert.

Und: Alle 42 Stunden gab es Übergriffe auf die Einsatzkräfte. Zum ersten Mal wurden diese Übergriffe im Jahr 2019 gezählt, die Zahl wurde am Montag genannt. Demnach gab es 211 strafrechtlich relevante Angriffe auf Einsatzkräfte der Feuerwehr; 35 Feuerwehrleute wurden dabei verletzt.

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Geisel zeigte sich darüber erschüttert. „Das ist in keinster Weise zu entschuldigen.“ Diese Übergriffe gebe es leider in allen Bundesländern, wie seine Amtskollegen berichteten. „Dagegen muss der Staat mit aller Kraft und Härte vorgehen.“ Auch Feuerwehrleute sollen demnächst bei Einsätzen kleine Kameras an der Uniform, sogenannte Bodycams, tragen. Damit kann das Geschehen gefilmt werden. Mögliche Angreifer können so abgeschreckt oder nachträglich identifiziert werden. Die Testphase dafür soll 2021 oder 2022 beginnen.

Die Stadt wächst, die Anzahl der Einsätze auch

Insgesamt gab es 478281 Feuerwehreinsätze im vergangenen Jahr, rund 14.000 mehr als im Vorjahr. Seit 2009 stellt die Berliner Feuerwehr jedes Jahr einen neuen Rekord auf – die Stadt wächst. Der weit überwiegende Teil der Einsätze diente der Rettung von Menschenleben, nämlich 343660.

Der zweitgrößte Posten mit 68.829 Einsätzen waren Erkundungen; ihre Zahl ist stark gestiegen. Das bedeutet, die Feuerwehr fährt hin, etwa weil jemand Rauch gemeldet hat, ein Einschreiten stellt sich dann aber als unnötig heraus. Das eigentliche Geschäft der Feuerwehr, nämlich Brände, machte den kleinsten Posten aus: 6688 Einsätze. Im Vorjahr waren es 7570 gewesen. Fehlalarme gab es 5288.

Gefährlicher Job. Feuerwehrleute sind Retter aus höchster Not - und trotzdem werden sie Opfer von Übergriffen.
Gefährlicher Job. Feuerwehrleute sind Retter aus höchster Not - und trotzdem werden sie Opfer von Übergriffen.
© Steffen Tzscheuschner /dpa

Die Feuerwehr schaffte es nur in 56,9 Prozent der Rettungseinsätze, innerhalb von 10 Minuten am Einsatzort zu sein - das Soll liegt bei 90 Prozent. Bei der Brandbekämpfung sollte sie binnen 15 Minuten am Ort sein. Das gelang in 83,5 Prozent der Fälle. Landesbranddirektor Karsten Homrighausen räumte ein, hier sei man längst nicht am Ziel.

73 Löschfahrzeuge werden angeschafft

Derzeit werden 60 Prozent aller Notrufe geortet, um speziell in unwegsamem Gelände die in Not Geratenen schneller zu finden. Das soll ausgebaut werden. Gutes gab es auch von der Ausstattung zu berichten: Insgesamt 73 neue Löschfahrzeuge und drei neue Einsatzleitwagen werden derzeit angeschafft; auch die freiwillige Feuerwehr soll fabrikneue Löschfahrzeuge bekommen.

Zudem wurde mit der Beuth-Hochschule eine bundesweit einzigartige Kooperationsvereinbarung geschlossen, mit der parallel ein Studium und der Erwerb der Laufbahnbefähigung erreicht werden soll.

 Karsten Homrighausen (l), Landesbranddirektor, und Innensenator Andreas Geisel (SPD) stellten die Jahresbilanz 2019 vor.
Karsten Homrighausen (l), Landesbranddirektor, und Innensenator Andreas Geisel (SPD) stellten die Jahresbilanz 2019 vor.
© Wolfgang Kumm/dpa

Viele Feuerwehreinsätze wären nach der langjährigen Einschätzung der Feuerwehr gar nicht nötig, weil es sich um leichte Verletzungen oder Krankheiten handelt. Damit könnten die Menschen etwa am Wochenende auch zu einem Bereitschaftsarzt gehen, statt sich von den Rettungswagen der Feuerwehr ins Krankenhaus fahren zu lassen.

Der FDP-Innenpolitiker Marcel Luthe kritisierte: „Die Belastung der Feuerwehr ist durch das Standardisierte Notrufannahmeprotokoll (SNAP) teils hausgemacht, denn bereits bei Bagatellverletzungen wird ein Rettungswagen automatisch losgeschickt. Nach stressbelasteter Noteinsatzfahrt im ebenfalls hausgemachten Berliner Verkehrschaos kommt die Rettungskraft dann an, um ein Pflaster aufzukleben, während etwa der Schlaganfallpatient warten musste.“ Am Rande der Pressekonferenz dazu befragt, sagte ein führender Feuerwehrmann: „Ist leider was dran.“

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