Übertriebene Rücksicht auf Muslime?: Aktbilder bitte weiterhin ohne schwarze Balken!
Im Prinzip ist der Versuch, Sensibilität zu zeigen, ja zu loben, findet Andreas Conrad. Aber Akte zensieren? Das geht zu weit. Wie wäre es stattdessem mit Hinweisschildern für Muslime: Stopp, hier beginnt die Nacktzone!
Zu den humoristischen Höhepunkten der „Feuerzangenbowle“ gehört die Szene, in der die Insassen der höheren Lehranstalt ihren hormonellen Nöten mit der Aktzeichnung einer wohlproportionierten jungen Dame Ausdruck verleihen und dabei von einem führenden Teil des Lehrkörpers überrascht werden. Schon wittert man sittliche Verwahrlosung, Skandal – doch Pfeiffer (ganz recht: mit drei F) weiß Rat, um der drohenden Strafe zu entgehen. Das Bildnis der Holden verläuft im unteren Bereich im Ungewissen, was dem Pfiffikus zu der Ausrede verhilft, es zeige doch eigentlich einen Jungen, man sei nur noch nicht fertig geworden.
Diese Erklärung war der Künstlerin Susanne Schüffel verwehrt, die jetzt in der VHS Marzahn-Hellersdorf vor ähnlichen Nöten stand: Ihre Akte sind eindeutig weiblich, oben wie unten. Stattdessen nun also Zensur, diesmal allerdings nicht aus altväterlicher Prüderie, sondern in einer Art vorauseilendem Gehorsam gegenüber möglichen – aber von niemandem erhobenen – Einsprüchen, weil die zarten religiösen Gefühle muslimischer Frauen durch so viel unverhüllte Weiblichkeit unzulässig überfordert sein könnten.
Im Prinzip ist der Versuch, Sensibilität zu zeigen, ja zu loben, doch diesmal fällt es wirklich schwer zu entscheiden, ob hier das Moment des Komischen oder des Absurden überwiegt. Wie soll es denn beispielsweise die Leitung der Gemäldegalerie halten? Sie könnte natürlich ihre ganzen Nackten, Männlein wie Weiblein, in den Keller sperren oder ihnen wieder Feigenblätter über die bloßgelegten Intimregionen legen, wie dies in früheren Jahrhunderte üblich war. Auch könnten Hinweisschilder für Muslime aufgestellt werden: Stop, hier beginnt die Nacktzone! Aber die müssten ja dann auch überall dort in der Stadt stehen, wo mit Plakatwänden zu rechnen ist, auf denen mehr oder weniger bekleidete Damen wie Herren ihre wohlgebauten Astralleiber zur Schau stellen. Zugegeben, es sind schwere Zeiten für die Hüter fremder Moral.
Andreas Conrad
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