Veteranen machen für Querdenker mobil: AfD-Landtagsabgeordneter will „Kesselschlacht” in Berlin
Auf Telegram organisieren sich aktuell Veteranen von Bundeswehr und NVA, um bei „Querdenken”-Demos geschlossen aufzutreten. Mittendrin offenbar ein AfD-Politiker.
Kein anderes soziales Netzwerk ist im „Querdenken”-Milieu so wichtig für die Vernetzung und den Ausbau bundesweiter Strukturen wie der Messengerdienst Telegram. Gegner der Corona-Maßnahmen und Pandemieleugner nutzen die App seit über einem Jahr, um gemeinsame Interessen und Ziele in eigens dafür kreierten Kanälen zu bündeln. In diesen Gruppen kommen unter anderem Angehörige der gleichen Berufsstände zusammen und tauschen sich aus. So existieren Kanäle, die sich „Anwälte für Aufklärung“ oder „Polizisten für Aufklärung“ nennen und vor allem der Vernetzung dienen.
Nun ist eine neue Gruppe dazugekommen. Im sogenannten „Veteranen-Pool“ haben sich binnen eines Tages über zehntausend Mitglieder eingefunden. Längst nicht alle dürften tatsächliche Veteranen der Bundeswehr oder der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR sein, da die Gruppe für jeden frei zugänglich ist.
Dennoch ist in den Austauschgruppen der einzelnen Bundesländer einiges an militärischer Expertise in den Kommentarspalten zu entdecken. Hunderte User posten Angaben darüber, wo sie wann und in welcher Einheit für Bundeswehr oder NVA gedient haben – und zwar mit den exakten militärischen Abkürzungen und Dienstgraden. Andere teilen sogar Fotos ihrer Wehrmarken oder militärische Auszeichnungen wie Medaillen.
Hintergrund der deutschlandweiten Vernetzung der ehemaligen Soldaten ist eine Aktion von Veteranen in den Niederlanden, die sich mehrmals bei Demonstrationen von niederländischen Gegnern der dortigen Corona-Maßnahmen schützend in die erste Reihe gestellt hatten, um Räumungen durch die Polizei zu verhindern. Videos der Aktion verbreiteten sich in den vergangenen Wochen tausendfach in deutschen Telegram-Kanälen. Die Gruppe sucht offensiv Kontakt zu Soldaten, Veteranen und Reservisten und appelliert an ihr „soldatisches Bewusstsein“ und erinnert an den von ihnen geleisteten Eid.
Dass es den deutschen Veteranen nicht nur um friedlichen Schutz ihrer „Querdenken“-Mitdemonstranten geht, zeigt ein Blick auf die lokale Austauschgruppe „Berlin-Brandenburg” der ehemaligen Soldaten. Offen wird zum Sturz der Bundesregierung aufgerufen. „Unser Volk braucht uns jetzt und wir sind per Eid verpflichtet, unser Volk zu schützen. Diese Regierung darf nicht länger im Amt bleiben“, schreibt ein User. Der Gruppen-Administrator schreibt: „Wir ziehen nicht in den Krieg. Wir sind im Krieg.“
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Ein User schreibt: „Wir werden gebraucht, alles was wir erlebt haben auf der Straße braucht nun eine Antwort.“ Ein anderer antwortet: „Ich sage nur Kesselschlachten in Berlin“. Als Kesselschlacht wird eine militärische Lage bezeichnet, bei der es einer Kriegspartei gelingt, den Gegner „einzukesseln“. Als eine der bekanntesten Kesselschlachten der Geschichte gilt die Schlacht von Stalingrad. Bei dem User, der sich eine solche Schlacht in der Hauptstadt wünscht, handelt es sich nach Tagesspiegel-Informationen um den Brandenburger AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Freiherr von Lützow.
Von seiner Kampfstärke scheint der AfD-Politiker überzeugt
Von Lützow war als Zeitsoldat fünf Jahre bei der Bundeswehr und Ende der 1990er Jahre unter anderem im Auslandseinsatz im Kosovo. Auch diese Informationen verbreitet er in dem Chat, der dem Tagesspiegel vorliegt. Außerdem ruft er dazu auf, die Aktion „bundesweit abzusprechen”. Man müsse „überall gleich auftreten als eine Einheit”.
Von seiner Kampfstärke scheint der AfD-Politiker uneingeschränkt überzeugt: „Ich habe schon mit 17 gesagt, gebt mir 100 Mann und das Antifagedöns ist schnell wieder zuhause“, schreibt von Lützow auf Telegram. Die AfD-Fraktion im brandenburgischen Landtag war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.
Das Bundesverteidigungsministerium wollte sich nicht zu der Veteranen-Gruppe äußern. Ein Sprecher sagte lediglich, wer sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung stelle, habe in der Bundeswehr nicht zu suchen. Tatsächlich hat die Bundeswehr aktuell nichts mit den Personen in den Telegram-Gruppen zu tun. Zunächst sind die Verfassungsschutzbehörde und bei Bedarf auch die Polizei zuständig. Relevant wird es für die Bundeswehr, wenn frühere Soldaten aktuell im Reservistendienst sind. Dann kann die Bundeswehr disziplinarrechtlich gegen sie vorgehen.
Verband der Reservisten distanziert sich
Der Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr distanzierte sich vom „Veteranen-Pool“. In einer Erklärung des Verbands heißt es: „Diese Personen richten sich gegen alle Werte, die wir gemeinsam vertreten. Unser Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung verpflichtet uns als Reservistinnen und Reservisten der Bundeswehr gegenüber dem Grundgesetz und unserem demokratischen Staat.“
Von Lützow ist übrigens innenpolitischer Sprecher der AfD-Landtagsfraktion. Ende Dezember war er aufgefallen, als er an einer illegalen Party in Cottbus teilnahm und dabei Polizisten bedrohte. Ein anderer betrunkener Partygast soll sich auf einen Polizisten gestürzt und auf ihm gekniet haben – „zwischen Brustbein und Kehlkopf“.
An dem Einsatz beteiligte Beamte gaben intern zu Protokoll, dass sich von Lützow als Landtagsabgeordneter und Mitglied des Innenausschusses zu erkennen gegeben und ihnen „ein Nachspiel“ angedroht habe. Er habe erklärt, „acht Jahre im Kosovo seinen Arsch für das Grundgesetz hingehalten“ zu haben und gedroht, „jeden alle zu machen, der in das Zimmer wolle“. Gegen von Lützow wird wegen des Verdachts der Nötigung und Bedrohung von Polizeibeamten ermittelt.