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Jugendstil. Auf der Admiralbrücke rückt jeden Abend die Polizei an, um die Feiernden aufzufordern, friedlich nach Hause oder in die umliegenden Kneipen und Clubs zu gehen. Allerdings ist jetzt auch eine neue Mediation zwischen lärmgeplagten Anwohnern und spaßhungrigen Brückengästen geplant.
© Tzscheuschner

Kreuzberg: Admiralbrücke wird freigesprochen

Mit der Kraft des Wortes versucht die Polizei in der Freiluftsaison, den Kreuzberger Partyort täglich um 22 Uhr zu räumen.

Um 20 Uhr geht es los mit der Romantik. Dann werden die Alt-Berliner Laternen angeknipst und werfen gedämpftes Schummerlicht auf die Liebenden der Admiralbrücke. Jemand spielt Gitarre, Bierflaschen machen die Runde. Fabian, Anfang 20, Schauspielschüler, kennt keinen besseren Ort für poesiegeladene Hochstimmung als die Jugendstilbrücke über dem Landwehrkanal. Hier entstehe regelmäßig Kunst, eine „soziale Plastik“.

Die Freiluftsaison hat begonnen, und für die Kanalanwohner im Kreuzberger Graefekiez wird es wieder laut. Die Mediation zwischen Partyszene auf der Brücke und den Bewohnern der Umgebung ist im Dezember ausgelaufen. Ordnungsamt und Polizei haben jetzt das Sagen. Am vergangenen Wochenende kam es zu Rangeleien, als die Polizei einen jungen Mann festnahm, der zwei Streifenwagen mit Farbe besprüht hatte. Zuvor war die Brücke geräumt worden.

„Wir sind seit 1. April wieder täglich präsent“, sagt Frank Schattling, Leiter des Polizeiabschnitts 52. Das Einsatzkonzept ist abgestuft: Erst wird Streife gefahren, ab 21 Uhr sind zwei Beamte vor Ort, um 22 Uhr wird die Brücke „freigesprochen“, also möglichst friedlich geräumt. Anschließend bleiben die Polizisten in der Nähe, damit niemand den Partyort zurückerobert. Dieses Verfahren habe sich im vergangenen Jahr bewährt und soll bis zum Saisonende weiterlaufen. „Ein ziemlicher Aufwand“, sagt Schattling, aber die Brücke sei ja auch einzigartig in der Stadt.

Im vergangenen Sommer kamen an lauen Abenden bis zu 300 Gäste auf die Brücke. Bevor die Polizei anrückte, klärten die beiden Mediatorinnen mit Flyern und Gesprächen über die Lage auf. „So waren die Leute vorbereitet“, sagt Suzan Asad vom Büro „Streit Entknoten“. Sie weist Berichte zurück, die Mediation sei gescheitert. Die Zeit habe einfach nicht ausgereicht, einvernehmliche Regelungen zwischen Nutzern und Anwohnern festzuzurren. Erreicht wurde nur ein Minimalkompromiss: keine Musik mit Verstärkern und keine organisierten Veranstaltungen. Und: Um 22 Uhr ist definitiv Schluss mit dem Brückenspektakel. „Die Mediatoren haben viele Situationen entschärft“, sagt Franz Schulz (Grüne), Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg. Das eigentliche Ziel, eine Verständigung herbeizuführen, sei zwar verfehlt worden, aber die Vorortpräsenz hält er weiterhin für wichtig. Das Bezirksamt hat Fördermittel für eine zweite Mediation beantragt. Diesmal sollen auch die Kanalufer und die Graefestraße in die Überlegungen einbezogen werden. Auch dort existieren Konflikte mit spaßhungrigen Menschen.

Unter den Anwohnern gibt es Hardliner, die Kompromisse ablehnen, aber auch Gemäßigte wie Doris Fortwengel, die am Fraenkelufer wohnt. Sie möchte gerne weiter an Lösungen arbeiten. Eine Idee wäre, einen Schauspieler anzustellen, der als Kreuzberger Rattenfänger gegen 22 Uhr die Brückengäste in einen Musikclub lockt, wo sie weiterfeiern können. Schwerer zu lösen sind andere Probleme: Drogengeschäfte in Hinterhöfen und das Urinieren in Hauseingänge. Um der Vermüllung zu begegnen, hat die BSR Großbehälter unter das Pflaster versenkt. Auch Musiker Alfred Mehnert möchte Kompromisse finden, ohne die Staatsmacht zu bemühen. „Wenn die Polizei räumt, holt man ein 1.-Mai-Gefühl dahin.“

Die Hardliner würden die Brücke gerne so umbauen, dass sie nicht mehr als Partyort taugt, aber dagegen haben sich die Grünen ausgesprochen. Die sitzfreundlichen Poller, einst gegen Touristenbusse errichtet, werden wohl bleiben.

Fabian und seine Schauspielschulfreunde kommen gerne auf die Brücke, selbst wenn es eigentlich zu kalt ist wie am Donnerstagabend. Sie spielten „leisen Jazz“ mit Trompete und Gitarre, da kam ein Mann vorbei und zischte: „Habe keinen Bock auf euch.“

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