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Das Alte und das Neue. Das Gesicht der City West ändert sich unaufhörlich. Am Donnerstag wird das Bikini-Haus wiedereröffnet.
© DAVIDS

Das Bikini-Haus: Abschied nehmen von der Nostalgie in der City-West

Auf dem neuen Bikini-Haus ruhen gewichtige Erwartungen: Es soll der entscheidende Baustein zur Auferstehung der City West sein. Doch Konfektionsketten und Großgastronomie geben hier längst den Ton an.

Vor der Gedächtniskirche, mitten auf dem Gehweg, hat sich Orgel-Ebi aufgebaut und dreht mit geübter Hand. „Oh, mein Papa“ ist grad dran, aber der Text könnte auch anders lauten: „Oh, City West, warst eine wunderbare Stadt.“ Denn wenn auch die Renaissance West-Berlins mit jedem neuen Bauprojekt immer lauter und anhaltender heraufbeschworen wird, so wird doch mit jedem fertigen Neubau deutlicher, dass da etwas entsteht, was mit dem alten goldenen Westen nichts mehr zu tun hat. So war es, als das Waldorf-Astoria Anfang 2013 sein feudales Portal öffnete, so wird es auch sein, wenn am morgigen Donnerstag das neue Bikinihaus zum – so die Werbung – „Neuen Kaufen“ einlädt.

Die City-West-Nostalgiker träumen sich eine Stadt zurück, die aus kleinen, persönlich geführten Geschäften, niveauvollen Cafés und Schaufenstern zum Staunen besteht, die zum Flanieren und Geldausgeben verführt. Doch diese Stadt ist ebenso Geschichte wie die bezahlbaren Mieten, die eine derartige Nutzung einst ermöglicht haben. Die neue West-City dagegen zerfällt – wie mit der Bikini-Eröffnung sogar noch deutlicher wird – in eine kleine Oligarchen-Abteilung am mittleren Kurfürstendamm und eine große Touristenzone, die zwischen Wittenbergplatz und Uhlandstraße liegt und vor allem von Billigkonfektionsketten und Großgastronomie dominiert wird. Der umworbene gehobene Kundenkreis mit West-Tradition wird davon weiterhin wenig mehr als die Parkhäuser kennenlernen, wenn er – wie immer – bei Leiser, P&C und im KaDeWe einkauft.

Weder Innovation noch Wagnis

Die angebliche Erneuerung des Boulevards folgt einem simplen Prinzip: Bekannte Marken von billig bis mittelteuer, die in der Stadt schon in zahlreichen Geschäften zu haben sind, eröffnen einen „Flagship-Store“, der das neue, gehobene Niveau simulieren soll, aber weder für Innovation noch für Wagnis steht – beides wäre dem Herzen Berlins im 21. Jahrhundert ja durchaus zuzumuten. Interessant ist allenfalls, dass gleich zwei eher mit dem Internet verbundene Technik-Unternehmen den Schritt ins Bikini-Ladengeschäft riskieren: Für den Berliner Lautsprecherhersteller Teufel ist es eine Premiere, während „Cyberport“ schon ein rundes Dutzend Läden in Deutschland betreibt, davon zwei auch in Berlin – Konkurrenz für den viel größeren Saturn-Markt, der momentan das EuropaCenter am Leben hält.

Dort nämlich befindet man sich in einer Übergangsphase. Seit das Mövenpick-Restaurant ausgezogen ist, das im Sommer immer auch den Platz am „Wasserklops“ bespielt hat, wird die Ödnis um so deutlicher. Dort wird demnächst ein „Vapiano“-Restaurant entstehen, das sich dann wieder in der Konkurrenz mit der neuen „Osteria“ im Bikinihaus behaupten soll – zwei Konzepte, die praktisch deckungsgleich sind und zeigen, wie wenig Gestaltungsspielraum bleibt, wenn mit Essen und Trinken die ganz großen Mieten erwirtschaftet werden sollen. Manchmal scheinen die Ideen auch ganz zu fehlen: Der Neubau der alten „Ski-Hütte“ an der Ecke Joachimstaler/Kantstraße liegt genauso tot da wie die meisten Schaufenster unten im Waldorf.

Kein Platz für Nostalgie

Dass die Entwicklung der Innenstadt keinen Platz für Nostalgie mehr kennt, zeigt sich klein und kaum auffällig am Kurfürstendamm 15. In diesem prunkvollen Gründerzeithaus befand sich einst ein Mövenpick-„Marché“, darüber das kleine, kaum bekannte, aber von anspruchsvollen Individualgästen geschätzte Hotel „Avantgarde“ mit seinen hohen Räumen. Heute steht das Gebäude oben leer, unten verkauft McDonald’s seine Burger – die nächste Filiale befindet sich, nur ein paar Schritte entfernt, im Hochhaus am Hardenbergplatz, das auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Wer hier etwas sucht, was originär für die City West steht, der kann lange suchen. Selbst das Erfolgsmodell „Curry 36“ ist ein Kreuzberg-Import, das Intercity-Restaurant im Bahnhof dagegen steht schon lange leer. Und zwischen Zoo-Palast und Bikinihaus öffnet in bester Lage: ein „Block-House“ nebst Burger-Ableger.

Wenn nun das Bikinihaus den Betrieb aufgenommen hat, werden sich die West-City-Nostalgiker ernüchtert auf einen neuen Hoffungsträger konzentrieren: die Eröffnung der Fotogalerie C/O im alten Amerika-Haus. Auch sie ist dazu ausersehen, ihren Teil zur Rettung des Unrettbaren beizutragen – und auch sie wird an dieser Aufgabe sicher scheitern.

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