Verwaltungsaufgaben: Abgeordnete wollen dauerkranke Lehrer wieder beschäftigen
Kein Freibrief für kranke Lehrer: Wer nicht mehr vor der Klasse stehen kann, soll andere schulische Aufgaben übernehmen können.
Die Zahl der langfristig erkrankten Lehrer hat Rekordniveau erreicht. Was die wenigsten wissen: Viele von den 1360 betroffenen Pädagogen würden gern weiterarbeiten, können aber aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr vor der Klasse stehen. Ihnen sollen jetzt Aufgaben außerhalb des Unterrichts angeboten werden, fordert der Schulausschuss des Abgeordnetenhauses. Auf seiner jüngsten Sitzung hat er deshalb den Senat beauftragt, alternative Einsatzmöglichkeiten für diese Lehrer zu prüfen.
„Es ist doch bedauerlich, diese Ressourcen nicht zu nutzen“, meint Bildungspolitiker Özcan Mutlu (Grüne), der den Antrag gestellt hat und dafür Unterstützung von der rot-roten Koalition bekommt. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) soll nun herausfinden lassen, „welche dienstrechtlichen und stellenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen“. Der GEW-Gesundheitsexperte Manfred Triebe geht fest davon aus, dass sich die Mühe lohnt. „Viele kranke Lehrer sagen, dass sie gern wieder in ihren Beruf einsteigen würden, aber noch nicht vor der Klasse stehen können“, berichtet Triebe aus Gesprächen mit betroffenen Pädagogen. Er weiß von einem Fall, in dem ein Rektor sogar eine andere Einsatzmöglichkeit für eine Lehrerin gefunden hatte, dies jedoch an rechtlichen Bedenken der Bildungsverwaltung scheiterte.
Triebe hat ständig mit den gesundheitlichen Folgen der Lehrertätigkeit zu tun: Gerade erst hat er wieder einen speziellen Gesundheitstag organisiert, dessen Workshops voll ausgebucht waren. Der bundesweit anerkannte Neurobiologe und Psychotherapeut Joachim Bauer hatte dort referiert und speziell auf die große Belastung des Vor-der-Klasse-Stehens hingewiesen. „Das bereitet den größten Stress“, resümiert Triebe Bauers Botschaft.
Die anstehende Schulreform böte viele Einsatzmöglichkeiten für gestandene Pädagogen, denn sie bringt viele neue Aufgaben mit sich: Dazu gehört, dass die Zusammenarbeit der Grundschulen mit den Kindertagesstätten gestärkt werden soll, damit die Sprachförderung besser ineinandergreift. Zudem ist eine Verbesserung der Elternarbeit gewünscht – eine zeitintensive Aufgabe. Und schließlich geht es darum, dass die neuen Sekundarschulen mit Ganztagsangeboten ausgestattet werden sollen: Hier gilt es, den Unterricht mit den Angeboten von Musikschulen, Sportvereinen und freien Trägern der Jugendhilfe zu verbinden. Die Schulleiter wären damit ebenso überfordert wie die fest im Unterricht verplanten Lehrer. Zöllner hat bereits angekündigt, dass die Sekundarschulen zusätzliches Personal brauchen, um ihren neuen Aufgaben gewachsen zu sein.
Dass es beamtenrechtlich möglich ist, teilweise dienstunfähige Lehrer außerhalb des Unterrichts einzusetzen, zeigt das Beispiel von Rheinland-Pfalz. Dort arbeiten – auf freiwilliger Basis – einzelne Betroffene in museumspädagogischen Diensten und in Gedenkstätten.