Gigafactory in Grünheide: 813 Einwendungen gegen Brandenburger Tesla-Fabrik
Das Genehmigungsverfahren für die Tesla-Fabrik steht vor dem Abschluss. Vorher muss sich aber mit jedem Einwand direkt auseinander gesetzt werden - innerhalb von drei Wochen.
Showdown für Teslas Gigafactory in Deutschland: Das Genehmigungsverfahren für das E-Auto-Werk in Grünheide, das jetzt noch um Europas größte Batteriezellenfabrik ergänzt wird, befindet sich in der Endphase. Seit Freitag läuft die Online-Konsultation zu den 813 Einwendungen, die Umweltverbände, Anwohner und Bürgerinitiativen gegen das Milliardenprojekt im Osten Berlins eingereicht haben.
Bei dieser Erörterung setzen sich Kritiker, Tesla und die Behörden in den nächsten drei Wochen mit jedem Einwand direkt auseinander – allerdings online. Dieses Verfahren, vom Landesumweltamt mit Corona-Vorkehrungen begründet, halten Umweltverbände für intransparent. Der US–Elektroautobauer weist Befürchtungen als unbegründet zurück. Ein Über- und Ausblick.
488 Seiten Einwände
Es ist wie eine „Akte Tesla“, allein 488 Seiten dick ist die Zusammenfassung des Konfliktes rund um die Fabrik in Grünheide – mit allen Einwendungen und Entgegnungen. Damit liegt jetzt auch erstmals öffentlich ein Gesamtüberblick vor, im Internet einsehbar, welche Bedenken und Argumente gegen die Gigafactory eingegangen sind, anonymisiert und komprimiert – und was Tesla dazu sagt.
Allein bei der letzten öffentlichen Auslegung diesen Sommer, die wegen der Erweiterung um die Batteriezellenfabrik und Umplanungen der Werk-Konfiguration nötig geworden war, hatte es 526 Einwendungen gegeben. Zwar liegt die Gesamtzahl der Einwände deutlich unter denen im Planfeststellungsverfahren des BER (über 100 000) oder der später gescheiterten Giga-Mastanlage in Hassleben (rund 2000).
Doch die Themen-Palette der teils sehr präzisen Gegenargumente ist breit – sie reicht von Naturschutz, Wasser, dem Turbo-Verfahren der vorzeitigen Bauerlaubnisse, Verkehr, Anlagensicherheit, Klimaschutz und Standortalternativen bis zu „E-Autos allgemein“. Unter „Sonstiges“ finden sich auch Vorwürfe wie „mangelndes Vertrauen in das Unternehmen“. Ein Teil ehemals geschwärzter Stellen in den öffentlich ausgelegten Tesla-Plänen wurde nun sichtbar gemacht, Angaben aber etwa zu Kosten bleiben geheim.
Das Wasserproblem
Die Fabrik wird zum Teil in einem Trinkwasserschutzgebiet errichtet – und wird viel Wasser brauchen, knapp 1,4 Millionen Liter pro Jahr. Das ist der umstrittenste Punkt, 186 Seiten umfasst allein das Pro und Contra zu Bedenken rund um Wasser und Abwasser. Hier wird etwa von Naturschutzverbänden oder dem örtlichen Wasserversorger (WSE), der das Werk beliefert, eine mögliche Gefährdung des Grundwassers durch Stoffe aus der Fabrik und die rund 1600 Betonpfähle für die Fundamente befürchtet.
Die Genehmigungsbehörde LFU hält das für unbegründet: „Voraussetzung der Genehmigungserteilung ist, dass alle Maßnahmen ergriffen werden, dass die Befürchtungen nicht eintreten.“ Tesla weist auch konkret zurück, dass es negative Auswirkungen durch das Batteriewerk geben könnte. Dies sei unbegründet, „da die Knappheit der Ressource Wasser durch die Batterieproduktion aufgrund ihres geringen Wasserbedarfs nicht gefährdet ist. Zudem ist das gesamte Batteriezellgebäude als Auffangwanne konstruiert.“
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Tesla will dort eine neue Generation von Trockenbatteriezellen herstellen. Das hier verwendete Pulver sei „nicht als Gefahrgut“ eingestuft, so das Unternehmen. Das Abwasser der Gigafabrik, das im Werk vorbehandelt wird, soll im Berliner Klärwerk Münchehofe gereinigt werden. „Die Einleitung (in das Klärwerk) erfolgt unter Berücksichtigung der zulässigen Aufnahmeparameter des Klärwerkes.“
Mit den Wasserbetrieben seien Menge und Stoffe abgestimmt, die dort ankommen dürften. Die Berliner Wasserbetriebe und ein anderer Einwender hatte die Nicht-Beteiligung der Berliner Umweltbehörde gerügt, obwohl das Werk gleich hinter der Landesgrenze liegt. Die Genehmigungsbehörde, die das laut Tesla „eigenverantwortlich“ entschieden hat, hielt das nicht für erforderlich.
Vorwürfe am hohen Wasserverbrauch kontert das Unternehmen mit dem Hinweis auf den wirksamen Erschließungsvertrag mit dem Wasserverband Strausberg-Erkner. „Es ist genügend Trinkwasser für die Versorgung der Verbraucher verfügbar“, heißt es.
Naturschutz
Ein Dauerbrenner bleiben auch befürchtete Auswirkungen auf umliegende Biotope, Naturschutz- und nach EU–Recht ausgewiesene Schutzgebiete wie etwa Löcknitztal, Spree und Müggelspreeniederung. Der Umgang mit Schlingnattern, Zauneidechsen und Fledermäusen, von denen wenige Exemplare gefunden und umgesiedelt wurden, hatte bereits bei den Rodungen des Kiefernwaldes für das Fabrikgelände Naturschützer auf die Barrikaden gerufen.
Der Verlust von Lebensraum geschützter Arten werde durch die vorgesehenen Maßnahmen kompensiert, antwortet Tesla. Auch die Fachabteilung im Landesumweltamt gibt grünes Licht: Die Prüfung habe ergeben, „dass mit keinen erheblichen Beeinträchtigungen zu rechnen ist.“
Möglicher Start im Oktober
Nach den Unterlagen sehen weder das Landesumweltamt noch beteiligte Behörden schlagende Gründe, um eine Genehmigung für die Gigafactory zu verweigern. Die detaillierte Auseinandersetzung der Genehmigungsbehörde mit den 813 Einwendungen lässt den Rückschluss zu, dass die Arbeiten an der Genehmigung bereits fortgeschritten sind, die Elon Musk nach letzten Aussagen für Oktober erhofft. Das dürfte knapp werden, da die Online-Erörterung noch 14.Oktober bis läuft – und danach ausgewertet werden muss. Ausgeschlossen erscheint das erhoffte „Oktoberfest“ aber nicht, sodass der von Tesla angepeilte Produktionsstart 2021 trotz Verzögerungen immer noch möglich erscheint.