Brandenburg: 36 Millionen Euro für neue Bahn-Infrastruktur
Insgesamt werden 80 Projekte gefördert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Prignitz. Ein Überblick.
Das Land Brandenburg will dieses Jahr rund 36 Millionen Euro in die Bahn-Infrastruktur investieren und damit unter anderem die Barrierefreiheit verbessern. 26 Millionen Euro sind im laufenden Haushalt vorgesehen, weitere zehn Millionen Euro sollen über den geplanten Nachtragshaushalt fließen, sagte Verkehrsministerin Kathrin Schneider (SPD) am Montag in Potsdam. Insgesamt werden 80 Projekte gefördert. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Prignitz. So bekommt die Stadt Kyritz, die inzwischen von vielen Berlin-Pendlern angefahren wird, einen neuen Haltepunkt. Aber auch Bauvorhaben an den Potsdamer Bahnhöfen Pirschheide und Babelsberg sowie in Geltow sollen mit Landesmitteln unterstützt werden. „Wir tragen damit Entwicklung ins ganze Land“, so Schneider.
Nicht nur Potsdam lockt Zuzügler. Viele Berliner, meint die parteilose Kyritzer Bürgermeisterin Nora Görke, ziehe es inzwischen in die Prignitz. Zum Wohnen und, am Wochenende, für Ausflüge. Doch ohne Auto ist der Weg in den Brandenburger Nordwesten nicht leicht zu bewältigen. Erst vergangene Woche habe sie eine Exil-Kyritzerin angerufen, die mittlerweile in Berlin lebe. „Sie möchte zurück in ihre alte Heimat, damit die Kinder in der Nähe der Großeltern aufwachsen können“, erzählt Görke. Aber: Ihren Arbeitsplatz in der Bundeshauptstadt wolle die Mutter behalten, das Pendeln auf sich nehmen. „Ohne eine verlässliche Verbindung“, sagt die Bürgermeisterin, „geht das nicht.“
"Ohne verlässliche Pendelei geht das nicht"
Diese scheint nun gesichert: Nach jahrelangem Ringen um die Einstellung zweier Regionalbahnlinien in der Prignitz stellt die rot-rote Landesregierung die Weichen neu und signalisiert, den ländlichen Raum nicht abhängen zu wollen. Sie fördert insgesamt 80 Investitionsvorhaben in den öffentlichen Personennahverkehr in diesem Jahr mit voraussichtlich 36 Millionen Euro, wie Infrastrukturministerin Kathrin Schneider (SPD) am Montag in Potsdam bekannt gab. 26 Millionen stellt das Land aus dem laufenden Haushalt zur Verfügung. Weitere zehn Millionen Euro sollen aus dem Nachtragshaushalt kommen, wenn der Landtag zustimmt. Schwerpunkt der Förderung: die Prignitz.
Hier eine Sanierung, da ein neuer Halt
„Wir freuen uns sehr, dass das Land mit dieser Schwerpunktsetzung ein eindeutiges politisches Signal für die Sicherung der öffentlichen Mobilität auf der Schiene auch im ländlichen Raum setzt“, sagt Ralf Böhme, Vorstand der Deutsche Eisenbahn Service AG (Desag). Vor fünf Jahren standen die Zeichen anders. Ende 2012 übergab die Prignitzer Eisenbahn GmbH den Betrieb der Strecken RB73 von Neustadt/Dosse über Kyritz nach Pritzwalk und RB74 von Pritzwalk nach Meyenburg an die Eisenbahngesellschaft Potsdam (EGP), aus der die Hanseatische Eisenbahn GmbH unter dem Dach der Desag hervorging. Laut damaliger Aussage des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg sollte der Vertrag für die beiden Strecken nur zwei Jahre weiterlaufen. „Danach wird der Betrieb aufgrund zu geringer Fahrgastzahlen gänzlich eingestellt“, hieß es in einer Fahrgastinformation vom Dezember 2012. Nun will die Desag 16 Sanierungsprojekte entlang ihrer ehemals todgeweihten Bahnstrecken umsetzen, die mittlerweile bis zu 400 Fahrgäste pro Tag zählen. Ohne öffentliche Mittel seien die Verkehrsangebote nicht möglich, so Böhme. Zumindest nicht, wenn die Fahrpreise stabil bleiben sollen.
Der Bahnhof in Meyenburg wird nun saniert, in Kyritz entsteht ein zusätzlicher Haltepunkt. Die Stadt sei dort in Vorleistung gegangen, erklärt Bürgermeisterin Görke. Eine Bushaltestelle mit 160 Autostellplätzen und Radabstellmöglichkeiten sei schon entstanden, sodass die Attraktivität von Kyritz als Wohn- und Arbeitsort gesteigert werde. Langfristiges Ziel: die Umsteigeverbindungen zwischen Bus und Bahn und die Erreichbarkeit der nördlich der Altstadt gelegenen Schulen, Ämter und Kultureinrichtungen sowie des Klinikums zu verbessern. Denn Kyritz trotzt den Demografen, die einen Bevölkerungsrückgang für die Stadt prognostizierten. „Die Einwohnerzahl hat sich in den vergangenen Jahren positiv entwickelt“, sagt Görke. „Vor allem junge Familien, die weggezogen waren, kommen zurück.“ Deutlich über 10.000 Einwohner zählte Kyritz noch im Jahr 2003. Zehn Jahre später war die Bevölkerungszahl auf 9194 gesunken. Inzwischen liegt sie bei 9425. Im Jahr 2017 gab es 640 Zuzüge nach Kyritz. 394 Menschen zogen weg. Auch Touristen entdeckten Kyritz für sich, meint Bürgermeisterin Görke. Die Bahntaktung am Wochenende müsse deshalb erhöht werden, sagt sie. Dafür müsste der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg zusätzliche Zugfahrten bestellen. Unter der Woche verkehren die Züge zwischen Neustadt /Dosse und Kyritz im Zwei-Stunden-Takt. Samstags und sonntags fährt laut Görke nur alle vier Stunden ein Zug nach Kyritz. Um nach Berlin zu kommen, muss man ohnehin noch einmal in Pritzwalk oder Neustadt/Dosse umsteigen. Dass die Prignitz nun zumindest bei der Förderung der Infrastruktur einen Schwerpunkt bilde, sei „gut so“, sagt die Potsdamer Landtagsabgeordnete und verkehrspolitische Sprecherin der Linken im Parlament, Anita Tack. Die langjährigen Bestrebungen des Landkreises, der Städte und der Desag-Tochter RegioInfra für den Erhalt und die Stärkung des Bahnverkehrs in der Region hätten sich ausgezahlt. Aber nicht nur die ländlichen Regionen werden im Förderprogramm bedacht. In Potsdam stehen ein zweites S-Bahn-Gleis am Bahnhof Babelsberg sowie der geplante Neubau zweier Bahnsteige am Bahnhof Pirschheide auf der Liste. Auch der Bau des Park- and-ride-Parkplatzes in Geltow soll gefördert werden. In welcher Höhe, kann laut Ministerium noch nicht beziffert werden. Die beiden letztgenannten Baumaßnahmen sind im Zuge der Verengung und damit erhofften Schadstoffreduktion der Potsdamer Zeppelinstraße wichtig. Um Pendler zum Umsteigen auf die S-Bahn zu bewegen, müsste die Bahn-Infrastruktur verbessert werden, hieß es unter anderem von Fahrgastverbänden.
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Marion Kaufmann