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Berlin wächst im Jahr 2015 um 80.000 Menschen. 2016 werden ebenso viele Zuzügler erwartet.
© Ralf Hirschberger/ dpa

Bevölkerungswachstum in Berlin: 35.000 Menschen mehr als erwartet

Der Bausenator Andreas Geisel korrigiert die bisherige Prognose für das Bevölkerungswachstum. Derweil streiten Opposition und Senat über die Pläne für preiswerte Wohnungen.

Berlin wächst in diesem Jahr und 2016 um jeweils 80.000 Menschen. Das entspricht der Einwohnerzahl von Flensburg oder Konstanz. Bisher ging der Senat davon aus, dass jedes Jahr „nur“ 45.000 Menschen neu in die Stadt kommen. Der Grund für diese Bevölkerungsexplosion ist auch die hohe Zahl an Flüchtlingen. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD), der die neue Prognose am Donnerstag im Abgeordnetenhaus bekannt gab, sprach von einer „Drucksituation“. Das Tempo beim Neubau von Wohnungen müsse beschleunigt werden.

Geplante Bauprojekte reichen nicht aus

Denn 2015 werden in Berlin höchstens 12.000 neue Wohnungen gebaut, im nächsten Jahr ist mit bis zu 15.000 fertiggestellten Wohnungen zu rechnen. Das wird nicht reichen, um die Wohnungsnot zu lindern. Zumal vieles darauf hindeute, so Geisel, dass das hohe Bevölkerungswachstum „von Dauer sein wird“. Der Senator deutete an, dass auch bei der öffentlichen Wohnungsbauförderung finanziell nachgebessert werden müsse. Ohne bezahlbaren Neubau „überall in der Stadt“ werde es nicht gehen. Geisel verteidigte in diesem Zusammenhang die geplante Ergänzung durch 15.000 preiswerte modulare Wohnbauten. „Das sind schließlich keine Elendsunterkünfte.“

Zuvor hatte die Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek davor gewarnt, die Bausünden vergangener Zeiten zu wiederholen. „Wir brauchen keine neuen Plattenbauten.“ Die vom Senat vorgesehenen „15.000 Wohnkästen in Billigbauweise werden die Armutsviertel der Zukunft sein.“ Sie schlug vor, eine Internationale Bauausstellung zum Thema „modulares Wohnen“ zu veranstalten. Anlass der wohnungspolitischen Debatte im Parlament war ein Gesetzentwurf des Senats für die Wohnraumversorgung in Berlin, der den Volksentscheid für bezahlbare Mieten überflüssig machen soll.

Wohnen und Mieten: Das Wahlkampf-Thema 2016?

Während sich die Redner von SPD und CDU hinter den Kompromiss stellten, der mit der Initiative für eine Volksabstimmung ausgehandelt wurde, sieht die Opposition in den bevorstehenden parlamentarischen Beratungen noch Nachbesserungsbedarf. Korrekturen am Gesetzentwurf seien „dringend nötig“, sagte die Linken-Abgeordnete Katrin Lompscher. Es werde Rot-Schwarz auch nicht gelingen, das Thema Wohnen und Mieten aus dem Wahlkampf 2016 herauszuhalten. Vertreter von Grünen und Piraten teilten diese Einschätzung.

Im August hatten sich die Organisatoren des Volksentscheids mit dem Senat und den Regierungsfraktionen SPD und CDU auf ein Kompromisspaket für ein neues Mietengesetz geeinigt, das vor allem die Bewohner von Sozialwohnungen entlasten soll, aber auch eine umfangreiche Förderung des Wohnungsneubaus, den Zukauf von Wohnungen durch die öffentliche Hand und Investitionen in den Bestand vorsieht. Aus dem Verhandlungsergebnis machte der Senat ein Gesetzespaket, das am Donnerstag im Abgeordnetenhaus eingebracht und demnächst in den Fachausschüssen beraten wird.

Mietinitiative wird Gesetzentwurf überprüfen

Voraussichtlich Mitte November wird der Gesetzentwurf im Parlament zur Abstimmung stehen. Erst dann will die Mieteninitiative entscheiden, ob damit die wesentlichen Inhalte des Volksentscheides erfüllt sind und der Antrag auf eine Volksabstimmung offiziell zurückgezogen wird. „Außerdem haben wir noch eine Menge weitere Themen in der Schublade, diese Kampagne war erst der Beginn“, kündigten die Initiatoren an.

Einen kleinen wahlkämpferischen Schlagabtausch lieferten sich während der Debatte auch die Redner von SPD und CDU. So beschwerte sich die SPD-Bauexpertin Iris Spranger, dass die CDU-Fraktion bei ihrer Rede „die ganze Zeit nicht klatscht“. Der Opposition warf sie wiederum vor, die „guten Leistungen“ der SPD für bezahlbare Mieten nicht zu würdigen. „Das kriegen Sie nicht über Ihre Lippen.“ Der CDU-Abgeordnete Matthias Brauner erinnerte daran, dass es „in der Ära Wowereit“ wohnungspolitischen Stillstand gegeben habe, aber die Sozialdemokraten hätten von der Union gelernt, bei der öffentlichen Neubauförderung etwa. Im Jahr 2011, vor der letzten Wahl, habe der damals rot-rote Senat dafür keinen Euro ausgegeben.

Einig waren sich in der Debatte aber alle fünf Fraktionen darin, dass die Flüchtlinge nicht gegen den übrigen Teil der Bevölkerung ausgespielt werden dürfen, wenn es um Mieten und Wohnen geht. „Wir brauchen Wohnraum für alle“, sagte Stadtentwicklungssenator Geisel. Sonst sei es nicht möglich, jene Menschen, die in Berlin Zuflucht suchen, dauerhaft zu integrieren.

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