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Bisher werden Flüchtlinge in Berlin oft in Containerdörfern untergebracht.
© dpa
Update

Flüchtlingsunterbringung in Berlin: 35 Flächen können kurzfristig bebaut werden

Der Senat sucht und sucht und sucht - nach Grundstücken, um Flüchtlinge unterzubringen. Nun wurde ein aktueller Zwischenstand der Bemühungen bekanntgegeben.

Weil der Ausverkauf landeseigener Grundstücke längst erfolgt ist, bleibt zur Vorbeugung von Obdachlosigkeit unter Flüchtlingen nur die „Suche in der Resterampe“. So beschrieb Margaretha Sudhof, Staatssekretärin der Senatsverwaltung für Finanzen, die verzweifelte Grundstücksbeschaffung für den Bau „modularer Unterkünfte für Flüchtlinge“, kurz Muf. 60 Grundstücke werden dringend benötigt, jedes einzelne davon 10000 Quadratmeter groß. Darauf ist Platz genug für eine viergeschossige Unterkunft und ein Gemeinschaftsgebäude.
Ist das wirklich so schwer bei mehr als 5500 Grundstücken im Eigentum des Landes? Ja, weil 92 Prozent dieser Flächen für den Wohnungsbau ungeeignet sind, weil sie an Autobahnen, im Wald oder auf belasteten Industriebrachen liegen. Nur 51 Grundstücke sind übrig geblieben, beispielsweise die „Kaserne Hessenwinkel“ an der Fürstenwalder Allee 356, die Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne, oder eine Fläche am Rande von Reinickendorf, an der Cyclopstraße 13.

Die Zwischenbilanz der Scout-Truppe: 51 Flächen kommen infrage

Aber auch diese Zwischenbilanz der vierköpfigen Scout-Truppe um die Chefin der landeseigenen Wohnungsunternehmen Wobege Petra Hildebrandt ist getrübt: Denn von diesen 51 Flächen besteht wiederum „politischer Klärungsbedarf“ für rund 16 Flächen, etwa weil Fachverwaltungen Bedenken haben oder Vereine die Flächen nutzen. „Wir wollen die Menschen aus den Hangars und Turnhallen rausholen“, sagte Sudhof. Aber schnell wird das nicht gehen: Die Eröffnung des ersten Mufs strebe der Senat „vor dem nächsten Winter“ an. Zwar braucht es keinen Bebauungsplan zur Errichtung der Unterkünfte für Flüchtlinge, und diese können auch in Gebieten entstehen, wo Wohnen eigentlich nicht vorgesehen ist. Aber die Denkmalschützer dürfen mitreden, etwa beim Umbau von Kasernen, und auch die Zauneidechsen oder andere geschützte Arten verlieren ihre Rechte nicht.

"Zielkonflikte" mit den Bezirken gibt es schon

Vor allem müssen aber die Bezirke zustimmen, die vor der laufenden Prüfung der Flächen nicht gefragt wurden. „Zielkonflikte“ zwischen Senat und Bezirken gebe es bereits. Bei laufenden Planungen für eine Flüchtlingsunterkunft der Wohnungsbaugesellschaft Mitte an der Landsberger Allee etwa. Da habe es Bedenken gegen eine gemeinschaftliche Unterbringung mit Studenten gegeben. Seit eineinhalb Jahren laufe das Genehmigungsverfahren. Kein Wunder, dass Eberhard Diepgen vom Beirat für Zusammenhalt zur Flüchtlingspolitik die Entmachtung der Bezirke fordert. Zumal der Zuzug anhält: Mit rund 50000 Flüchtlingen rechnet die Sozialverwaltung in diesem Jahr – und selbst wenn die 60 Grundstücke gefunden sind und mit modularen Unterkünften bebaut werden, böten sie bestenfalls Platz für 30000 Flüchtlinge.

Weit draußen liegen die Grundstücke, bestenfalls fährt ein Bus

Für Verwunderung sorgte die Aussage von Sudhof, dass die Kosten der ersten modularen Bauten bei rund 2500 Euro je Quadratmeter liegen werden. Geringere Preise seien erst bei späteren Unterkünften zu erwarten. Der Hauptverband der Bauindustrie spricht von lediglich 1300 Euro pro Quadratmeter, und Bausenator Andreas Geisel hatte sogar von Preisen um 1000 Euro je Quadratmeter ins Gespräch gebracht. Aber das scheint der Markt angesichts der gewaltigen Nachfrage aktuell gar nicht herzugeben.
Die nun gefundenen „Restflächen“ liegen überwiegend in Außenbezirken, so Sudhof weiter: In Marzahn-Hellersdorf, Hohenschönhausen, Pankow und auch in Spandau, oft in Industriebrachen oder am Waldrand, von wo aus bestenfalls ein Bus in die City fährt.

Die modularen Unterkünfte muss man sich wie autonome Kleinstquartiere vorstellen: Die Zimmer und Wohnungen der Flüchtlinge werden in einem viergeschossigen Gebäudeensemble liegen und daneben als „zwingender Bestandteil“ ein eingeschossiger „Funktionsbau“. Dort wird es Kleinstbüros und Räume geben für ärztliche Dienste, Job-Center, schulische Betreuung, Küche sowie andere gemeinschaftliche Einrichtungen.

Auch eine spätere Nutzung als Wohnsiedlung ist nicht ausgeschlossen

Dass die Flüchtlinge gleichsam weit weg vom Zentrum am Waldrand in Ghettos abgeschoben werden sollen, wollten die Immobilienscouts nicht gelten lassen. Die Grundstücke seien zwar nicht erste Wahl, aber wären angesichts der wachsenden Bevölkerung Berlins „früher oder später ohnehin in den Blick gerückt“. Und im Idealfall entstünden Gebäude, „die man leicht umbauen und später weiter nutzen kann“. Neue günstige Wohnungen also für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und Berlinovo, denen sie gehören werden.

Zuletzt hatte es in mehreren Massenunterkünften für Flüchtlinge Gewaltausbrüche und Schlägereien gegeben.

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