Betreiber der „Winterwelt“ am Potsdamer Platz: 30 Jahre auf dem Weihnachtsmarkt – jetzt wird sein Traum abgebaut
Seit der Wende steht Arnold Bergmann auf Weihnachtsmärkten in Berlin. Drei Tage war seine „Winterwelt“ am Potsdamer Platz in diesem Jahr geöffnet, dann kam der Lockdown. Jetzt gibt der Betreiber auf.
Es war ohnehin ein traurig anmutender Anblick: Die hölzernen Stände, die einst „Heiße Schokolade, Glühwein, Eierpunsch und Jagertee“ versprachen, waren abgeriegelt, rot-weißes Absperrband sollte die Gäste von den Stehtischen fernhalten. Das bunte Karussell war hinter Trennwänden verschwunden, wie abgelegtes Spielzeug.
Der Lärm und der Duft gebrannter Mandeln fehlten, auch die Rodelbahn stand still. Jetzt hat die „Winterwelt“ am Potsdamer Platz die Hoffnung aufgegeben. Kein Neustart im Dezember. Der Weihnachtsmarkt wird bereits Stück für Stück abgebaut.
„Ich rechne damit, dass der Lockdown bis zum 20. Dezember verlängert wird. Und für die restlichen Tage lohnt sich kein Weihnachtsmarkt mehr“, sagte Arnold Bergmann, Betreiber des Marktes auf dem Alexanderplatz und der Winterwelt. Letztere war Ende Oktober nur drei Tage geöffnet, dann kam der Lockdown.
„Am meisten schmerzt dabei die Verantwortung für meine Mitarbeiter und die Händler“, sagt Bergmann. Er sitzt auf einer Holzbank in der leeren Hütte. Die „Stiegl Alm“ sei auf der „Winterwelt“ sein Lieblingsort gewesen: „Hier habe ich mich sonst immer mit den Leuten unterhalten.“
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Seit 40 Jahren ist der 63-Jährige aus Nürnberg selbstständig. Nach der Wende übernahm er den Weihnachtsmarkt am Alexanderplatz. Vor 17 Jahren kam die „Winterwelt“ dazu.
In diesem Jahr musste er wegen der Pandemie beide absagen. „Wir hatten immer mal wieder schwere Jahre“, sagt Bergmann, trotzdem sei man immer durchgekommen. Dieses Mal sei die Lage dramatisch. Er habe schlaflose Nächte, sagt Bergmann leise. Er wirkt erschöpft.
„Unsere Existenz ist ernsthaft gefährdet.“ Auch die Corona-Hilfen der Bundesregierung hätten bislang nicht viel geholfen: „Das Geld ist entweder zu wenig gewesen oder zu spät gekommen.“ Auf eine dritte Hilfe und weiteres Kurzarbeitergeld warte sein Unternehmen noch immer. Die Löhne habe er trotzdem weitergezahlt.
Draußen ziehen drei Männer in schwarzer Arbeitskleidung einen Hubwagen mit sechs Kaffeemaschinen langsam über den Platz. An diesem Tag verladen sie vor allem Essen und die Getränke und bereiten sie für den Transport auf. „Viele der Lebensmittel sind abgelaufen, die müssen wir nun wegwerfen“, sagt Bergmann. Die noch guten kommen zusammen mit den Getränken ins Firmenlager nach Bruchmühle.
Die Gerüstbaufirma baut die Rodelbahn auseinander
In den nächsten Tagen geht es mit der Weihnachtshütte und den übrigen Ständen weiter. Der Karussellbetreiber reist am Dienstag aus Herne an. Die Gerüstbaufirma baut am Mittwoch die Rodelbahn auseinander. Am Freitag soll der Platz besenrein dem Bezirksamt übergeben werden.
„Auch für den Weihnachtsmarkt am Alex stand alles schon bereit“, berichtet Bergmann. Mehr als 60 Aussteller hatten sich angemeldet. Einer der 35 Beschäftigten, die bei der „Winterwelt“ mitmachen, ist Daniel Ganzer. Am Stand „Zum Rodlwirt“ stellt der 40-Jährige gerade Gläserpackungen auf den Tresen. Seit „zwanzigeinhalb“ Jahren arbeite er für Bergmann. „Das ist schon ein Einschnitt.“
Den Abbau bemerken Fußgänger fast nicht. Zwei Männer löffeln an einem Stehtisch an der „Stiegl Alm“ ihr Mittagessen aus Plastikgeschirr. „Dass die Weihnachtsmärkte abgesagt werden, ist eines der vielen Dinge, die ich an Corona nervig finde“, sagt einer von beiden. „Aber das ist nachvollziehbar.“
Die Männer geben zu, dass sie dabei aber nicht die „Winterwelt“ vermissen, sondern vor allem die „Lucia“ in der Kulturbrauerei oder die Silvesterparty am Brandenburger Tor. „Die kleine ,Winterwelt‘ kam einem zwischen den modernen Hochhäusern eh ziemlich skurril vor.“ Eine andere Passantin sieht das anders: „Ich werde das gewisse Flair, die Weihnachtsmusik, die Lichter und das Gebrabbel vermissen.“