Wohnraummangel in der Hauptstadt: 14 Prozent weniger neue Wohnungen in Berlin als im Vorjahr
Im Jahr 2020 entstanden nur gut 16.000 neue Wohnungen. Berlins Stadtentwicklungssenator spricht von "Sondereffekten".
Trotz des akuten Mangels an Wohnraum entstehen in Berlin weniger Wohnungen als im Vorjahr. Wie das Amt für Statistik an diesem Montag mitteilte, wurden im Jahr 2020 16.337 Wohnungen fertig gestellt. Das seien 14 Prozent weniger als im Vorjahr gewesen - und so wenige wie zuletzt im Jahr 2018.
Nach Angaben von Wohnungsmarktexperten müssten jährlich 20.000 Wohnungen gebaut werden, allein um den Bedarf zu decken, der durch den Zuzug nach Berlin entsteht. Auch Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel (Linke) hatte diese Zielzahl wiederholt genannt. Gescheitert war der Senat bereits zuvor an seinem Versprechen, in dieser Legislatur 30.000 bezahlbare städtische Wohnungen zu schaffen - realisiert werden stattdessen nur rund 20.000.
Der Rückgang bei der Fertigstellung von Wohnungen in Berlin ist der erste überhaupt seit dem Jahr 2009, so das Amt für Statistik.
"Wir werden uns die Gründe dafür anschauen. Offenbar kamen Sondereffekte zum Tragen", sagte Scheel. Weil zwischen der Genehmigung einer neuen Wohnung und deren Fertigstellung gut zwei Jahre vergehen, schließt der Wohnen-Senator einen Zusammenhang mit der abschreckenden Wirkung des vom Bundesverfassungsgericht kassierten "Mietendeckels" auf Investoren aus: "Wer also meint, den Mietendeckel als Verursacher zu identifizieren, den muss ich leider enttäuschen", sagte Scheel.
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Die Wohnungswirtschaft hatte allerdings wiederholt vorausgesagt, dass in Berlin weniger Wohnungen entstehen würden. Aus Gesprächsrunden mit Scheel und seiner Vorgängerin Katrin Lompscher (beide Linke) waren Spitzenvertreter wiederholt frustriert herausgegangen, da ihnen keine oder unzureichende Unterstützung bei der Beschaffung von Bauland und der Realisierung von Projekten zugesagt worden sei. Viele sind nun nach Brandenburg ausgewichen.
Besonders stark ging der Neubau in Mitte zurück
Besonders stark ging der Neubau im Bezirk Mitte zurück, wo die Zahl der fertig gestellten Wohnungen sich fast halbierte auf 1666 (2019: 3768). Deutlich weniger neue Wohnungen entstanden auch in Treptow-Köpenick: 1759 gegenüber 2674 im Jahr davor.
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Dass nicht die Baukonjunktur insgesamt schuld an dem Einbruch ist, zeigt die Zunahme der Wohnungsfertigstellungen in Friedrichshain-Kreuzberg von 823 auf 1172 neue Wohnungen oder auch in Charlottenburg-Wilmersdorf, wo fast ein Drittel mehr Wohnungen übergeben werden konnten: 1554, im Jahr zuvor waren es noch 900 gewesen.
Abwärts geht es auch bei Baugenehmigungen
Von einem vorübergehenden Knick bei den Fertigstellungen ist nicht zu rechnen. Denn auch die unter Marktforschern als "Frühindikator" geltende Zahl der genehmigten Wohnungen nimmt deutlich ab. Im ersten Quartal dieses Jahres genehmigten die Baubehörden laut Amt für Statistik 14,1 Prozent weniger Wohnungen als im Vorjahreszeitraum.
Vor allem beim Ausbau von Dachgeschossen, der als besonders nachhaltige Form der Schaffung neuen Wohnraums gilt, geht nur noch wenig voran: Die Genehmigungszahl brach um fast ein Drittel ein.