Berliner Personalprobleme: 130 Schulen ohne komplette Leitung
Die Bildungsverwaltung erwägt, Vize-Rektoren besser zu besolden. Vor allem Brennpunktschulen sind betroffen - zum Teil jahrelang. Hier ist die Liste.
Birgit Knopf weiß gar nicht, wie das ist – auf einen Stellvertreter setzen zu können; in seine Hände den Stundenplan und den Vertretungsunterricht zu legen, ihn auch mal auf einen Termin zu schicken, bei dem die Schulleitung gebraucht wird. "Ich habe seit meinem Amtsantritt im Jahre 2009 noch nie einen Konrektoren gehabt", sagt die Leiterin der Neuköllner Boddin-Schule. Das sei "auf Dauer ziemlich anstrengend" und nur zu schaffen, "wenn man für den Job brennt".
Die Boddin-Schule ist kein Einzelfall. So wie Birgit Knopf geht es noch rund 100 weiteren Leitern von Grund- und Oberschulen und auch einzelnen Berufsschulen. Dies ergab jetzt eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Joschka Langenbrinck. Acht Jahre wie im Fall der Boddin-Schule sind zwar die Ausnahme, aber ein bis drei Jahre sind keine Seltenheit. Zudem sind über 30 Rektorenposten vakant.
So haben einige Schulen seit zwei Jahren keinen Leiter, darunter in Tempelhof-Schöneberg die Neumark- und Havelland-Schule, in Zehlendorf die Johannes-Tews-Grundschule und in Lichtenberg die neue Schmetterlings-Schule.
Eine höhere Besoldung könnte Anreize schaffen
Eine ähnliche Bilanz gab es schon vor einigen Jahren. Um die Vakanzen insbesondere in den Grundschulen abzubauen, hatte sich die SPD/CDU-Koalition auf eine höhere Besoldung der dortigen Rektoren verständigt. Dies trat aber erst vor einem Jahr in Kraft. Das noch stärker verbreitete Problem des Mangels an Konrektoren wurde damals aber gar nicht angegangen. Daher muss sich die neue Koalition damit beschäftigen.
Eine "attraktivere" Besoldung der Konrektoren sei "angedacht", teilte Bildungsstaatssekretär Mark Rackles (SPD) in der Antwort auf Langenbrincks Anfrage mit. Pro Jahr rechnet Rackles dafür mit Mehrkosten von 2,24 Millionen Euro. Allerdings taucht dieser Posten im Nachtragshaushalt für 2017 dem Vernehmen nach nicht auf. Die Schulen müssen sich also noch gedulden.
Die Doppelbelastung von Schulleitern ist enorm
Dies aber fällt ihnen schwer: Die Umsetzung des Bildungs- und Teilhabegesetzes (BuT), des Bonusprogramms, aber auch die Organisation der Vertretungsstunden über die Personalkostenbudgetierung bedeuten einen zusätzlichen Aufwand. Hinzu kommt, dass Rektoren und Konrektoren eine erhebliche Zahl von Unterrichtsstunden erteilen müssen. "An manchen Tagen schafft man es kaum, auf die Toilette zu gehen", fasst eine langjährige Schulleiterin die Lage zusammen.
Erschwerend wirkt auch, dass jahrelang kaum Lehrer eingestellt wurden: "Es fehlen die Frauen zwischen 40 und 50, die Berufserfahrung haben und sich jung genug fühlen, eine neue Aufgabe zu übernehmen", erklärt eine Rektorin ihr Problem, die Konrektorenstelle zu besetzen. "Der Senat muss die stellvertretenden Schulleiter so bezahlen, dass es attraktiv ist, diesen Job zu machen. Sie tragen Verantwortung für ihre Schule und haben mehr Arbeit," steht für Langenbrinck fest.
In der Liste der Vakanzen tauchen auch bekannte Schulnamen auf wie die "Pusteblume" in Hellersdorf, bei der es der Verwaltung aus formalen Gründen jahrelang nicht gelang, die bewährte kommissarische Schulleiterin regulär in das Amt einzusetzen. Auch die Spreewald-Grundschule ist noch immer ohne Konrektorin - ebenfalls eine Brennpunktschule, die dringend eine vollständige Leitung brauchte. Und die Marcel-Breuer-Schule in Weißensee ist dabei, dessen anerkannter Leiter kurzerhand versetzt worden war, weil er bei der Fusion mit einer Nachbarschule nicht kooperativ genug gewesen sein soll.
Allerdings ist bei der Interpretation der Liste Vorsicht geboten: Manche Angaben scheinen veraltet oder womöglich auch falsch. So ist dort für die Boddin-Schule angegeben, dass die Konrektorenstelle erst seit drei Jahren vakant ist und nicht seit acht Jahren., wie die Schulleiterin es berichtet.
Die Liste der Bildungsverwaltung finden Sie in der Anfrage HIER.