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Schön schlicht. Annelie Schubert, 28, absolvierte die Kunsthochschule Weißensee und überzeugte im französischen Hyères die Jury.
© promo

Grand Prix der Pariser Stoffmesse Première Vision: 12 Points - Berlin-Weißensee

Annelie Schubert, 28, von der Kunsthochschule gewinnt den wichtigsten Mode-Nachwuchspreis. Sie nimmt die goldene Palme und 15.000 Euro Preisgeld mit nach Hause.

Filmstars in Designerroben, die sich auf roten Teppichen winden, aufgescheuchte Streetstyle-Fotografen, die bunte Vögel ablichten, Bussi-Bussi und jede Menge Champagner – so stellt man sich ein wichtiges Modefestival vor. In Wahrheit trifft sich die Branchen-Elite jedes Jahr Ende April diskret in einer verwinkelten Bauhausvilla über den Dächern des südfranzösischen Urlaubsortes Hyères (sprich: „Yeah!“), um ein Nachwuchstalent mit dem Grand Prix der Pariser Stoffmesse Première Vision zu küren. Und so passt es, dass dieses Mal eine zurückhaltende Frau, die zarte, intelligente Kleider entwirft, die goldene Palme und 15.000 Euro Preisgeld mit nach Hause nimmt: Annelie Schubert, 28, Modedesign-Absolventin der Kunsthochschule Weißensee.

Schubert mag es schlicht, trägt Jeans und schwarzen Pulli zum Interview und sagt: „Ich mache mir eigentlich wenig Gedanken darüber, wie ich mich style, aber hochwertiges Material und angenehme Stoffe sind mir sehr wichtig.“ Annelie Schubert findet Second Hand spannender als Luxus. Ihre Sachen näht sie für andere, nicht für sich, sagte die Designerin, die mit dem Preis nun freien Zugang zu den Chanel-Werkstätten erhält. Sie wird in Kooperation mit dem Label Petit Bateau Kleider entwerfen, die ab dem Frühjahr 2016 erhältlich sind. Und sie hat allein durch ihre Teilnahme schon jetzt beste Chancen auf einen Job in einem großen internationalen Modekonzern. „Hier geht es darum, Türen zu öffnen“, sagt der in Hyères aufgewachsene Kunst- und Mode-Förderer Jean-Pierre Blanc, der das Festival 1985 als 20-Jähriger ins Leben rief und bis heute leitet.

Seither sind auf der grünen Wiese im Villagarten immer wieder Stars geboren worden, etwa die Designer Viktor & Rolf, die ihre Entwürfe 1993 dort zeigten. Der Däne Henrik Vibskov startet ungebremst durch, seitdem seine Herrenkollektion 2003 auf dem Festival zu sehen war. Und das deutsche Label c.neeon um die Designerinnen Doreen Schulz und Clara Leskovar wurde mit dem Sieg des Grand Prix 2005 über Berlin hinaus bekannt.

In diesem Jahr hatten die zehn Designer im Wettbewerb nicht nur die Chance auf mehr Bekanntheit, sondern auch auf ganz besonderes Feedback: Karl Lagerfeld persönlich saß in der ersten Reihe, während Topmodels die Finalisten-Kollektionen in einem Flugzeughangar am Yachthafen der Mittelmeer-Kleinstadt präsentierten. Lagerfeld hatte zum 30. Jubiläum die kreative Leitung des Festivals übernommen.

Schuberts Modebegeisterung kommt weniger aus dem Wunsch heraus, sich selbst zu präsentieren, als aus einer tiefen Faszination für Farben und Texturen – wie sich Stoffe bewegen, anfühlen, wie sie sich im Licht verändern – es sind diese Dinge, mit denen Schubert sich viel beschäftigt.

Am Ende überzeugte Annelie Schubert mit ihrer subtil opulenten Frauenmode- Kollektion in Pastell- und Erdfarben und einer Symbiose aus klaren Schnitten und feinen Drapierungen. „Das Zusammenspiel von Farbe und Material ist unglaublich“, urteilten die Juroren, zu denen auch Chanel-Kreativchefin Virginie Viard und Ex-Vogue-Chefredakteurin Carine Roitfeld zählten.

Statt klar erkennbare Jacken, Hosen, Röcke oder Kleider entwickelt Schubert neue Formen von Kleidungsstücken. „Ausgehend von der Idee einer Schürze, nähe ich Bausteine, die in Kombination ein schlüssiges Outfit ergeben“, sagt sie.

Für die Designpreis-Siegerin Annelie Schubert geht es als Nächstes nach Paris und New York, wo ihre Entwürfe gezeigt werden. Und vielleicht wird es für die in Berlin lebende Halbfranzösin im Sommer sogar noch ein Heimspiel geben – auf der Berliner Fashion Week. Ob sie ihre Kollektion hier zeigen darf, soll sich in wenigen Tagen entscheiden.

Dagny Lüdemann

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