zum Hauptinhalt
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit war im Bundestag.
© dpa

Haushaltsausschuss des Bundestages: 1,17 Milliarden: Wowereit bringt die BER-Rechnung

Klaus Wowereit fährt in den Bundestag. In der Tasche des Regierenden – elf Seiten Papier. Darin listet er die BER-Mehrkosten auf. Dafür gibt’s Lob. Aber auch harsche Kritik.

Der Verkehrsausschuss des Bundestages ist Klaus Wowereit zu klein. In seiner Funktion als Vorsitzender des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft geht der Regierende Bürgermeister lieber in den Haushaltsausschuss. Der sei schließlich wichtiger als der Fachausschuss, sagt er, denn dort geht es ums Geld – und wohl weniger um Details des Versagens. Ein Mammutprogramm haben die Abgeordneten des Ausschusses zu absolvieren. Allerdings nicht, weil es so viel in Sachen BER zu besprechen gibt, sondern weil die Abgeordneten sowohl über den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM als auch über den Fiskalpakt beraten müssen, schließlich wird über beides am Freitag im Bundestag abgestimmt.

Der Flughafen ist an diesem Tag nur ein Randaspekt. Dennoch nehmen sich die Abgeordneten Zeit. Knapp drei Stunden wird Wowereit von den Haushältern befragt. Schließlich wissen sie genau, dass der Flughafen nach der neuerlichen Eröffnungsverschiebung im Mai nicht nur für die beiden Gesellschafter Berlin und Brandenburg teurer werden kann, sondern auch für den Bund, den dritten Gesellschafter. Wowereit präsentierte dem Ausschuss, der von seiner Berliner Parteifreundin Petra Merkel geleitet wird, konkrete Zahlen, die die Mehrkosten beziffern. Demnach muss man sich auf eine Kostensteigerung von 1,17 Milliarden Euro gefasst machen.

Bildergalerie: Das BER-Desaster

In einem elfseitigen Sachstandsbericht zum BER für den Ausschuss, den die Flughafengesellschaft verfasst hat und der dem Tagesspiegel vorliegt, wird diese Summe aufgeschlüsselt: 591 Millionen Euro sind nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg für Schallschutzmaßnahmen eingeplant. Hinzu kommen 276 Millionen Euro für Baukosten, 118 Millionen für das operative Geschäft und vertraglich festgeschriebene Schadenersatzansprüche, wobei Letzteres gerade mal mit fünf Millionen Euro aktuell veranschlagt wird. Außerdem werden noch 192 Millionen Euro für die Risikovorsorge kalkuliert. Ob auf den Bund tatsächlich Mehrkosten zukommen werden, ließ Wowereit, der von Flughafen-Geschäftsführer Rainer Schwarz begleitet wurde, zwar offen, aber die meisten Teilnehmer der Sitzungen gingen danach davon aus.

Besonders auffällig war die Einmütigkeit, mit der der Auftritt Wowereits von CDU- und SPD-Haushältern bewertet wurde. Johannes Kahrs (SPD) sagte, dass Wowereit „umfassend alle Fragen beantwortet“ habe. Und Frank Steffel, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Berlin, sprach beinahe hymnisch über den Auftritt des Regierenden Bürgermeister. „Klaus Wowereit hat umfänglich und kompetent alles dargelegt.“ Wowereit vermittle den Eindruck, dass er intensiv an dem Thema arbeite. Außerdem sagte Steffel: „Wowereit scheint mit uns das Misstrauen gegenüber der Flughafen-Geschäftsführung zu teilen.“ Die Arbeit der Geschäftsführung entspreche „nicht dem, was man erwarten kann“, sagte der Brandenburger SPD–Bundestagsabgeordnete Peter Danckert. Er forderte aber auch, dass der Aufsichtsrat „selbstkritisch“ mit seiner Rolle umgehen müsse.

"Ich bin erschüttert über Wowereits Auftreten."

Wowereit habe „sehr schwammig und unkonkret Auskunft gegeben“, sagte dagegen der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler. Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte ein Gesamtkonzept für die BER-Bautätigkeiten und Klarheit über den Eröffnungstermin. Gesine Lötzsch von der Linken schlug vor, Berlin solle auf den Bau der Verlängerung der A 100 verzichten. Das eingesparte Geld könne man zur Finanzierung der Mehrkosten verwenden. Wenig euphorisch äußerte sich Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Bundestages: „Wowereit war nicht in der Lage zu sagen, was finanziell auf uns zukommt. Ich bin erschüttert über Wowereits Auftreten, wie er anderen die Schuld gibt.“ Er wolle Wowereit erneut einladen, sagte Koppelin nach der Sitzung. Dann werden wiederum die Sozialdemokraten im Ausschuss darauf dringen, dass auch Rainer Bomba, der für das von der CSU geführte Bundesverkehrsministerium im Aufsichtsrat sitzt, anwesend ist.

Bildergalerie: Das BER-Desaster

In dem Sachstandsbericht BER verweisen die Verantwortlichen darauf, dass man in Zukunft enger die Bauprozesse kontrollieren wolle. „Das projektinterne Monitoring und das Reporting gegenüber der Geschäftsführung und den Aufsichtsgremien werden auf allen Ebenen in Inhalt und Frequenz deutlich intensiviert.“ Um das zu erreichen, soll es „2x wöchentlich Abstimmungs- bzw. Entscheidungsrunden auf operativer Ebene“ geben und „14-tägige Status-Berichte an die Geschäftsführung (und bei Bedarf an die Gremien)“. Außerdem werden Bedingungen aufgelistet für den Zeitplan. „Demnach ist die Sicherstellung des Inbetriebnahmetermins an die folgenden Voraussetzungen geknüpft – die es gilt, in den kommenden vier bis fünf Wochen zu erfüllen: Gleichstellung der Planung, Interpretation des vorliegenden Brandschutzkonzeptes, Schaffen der baulichen Voraussetzungen, Zustimmung der Firmen zum Terminplan und Umsetzung der organisatorischen Maßnahmen.“ Eine verbindliche Terminplanung könne nur „mit Vorliegen einer konfliktfreien und vollständigen Planungsgrundlage gewährleistet“ werden. Dafür sollen zahlreiche Gespräche mit den an den Planungen beteiligten Akteuren geführt werden. Diese sollen bis zur „29./30. KW“ (Mitte Juli) abgeschlossen sein.

Umstrittene Boni für die Geschäftsführer

Auch der Verkehrsausschuss des Bundestages hatte sich am Mittwoch wieder mit dem Flughafen befasst. Dort waren Bomba und Schwarz anwesend. Die Teilnehmer der Sitzung sprachen danach allerdings von keinen neuen Erkenntnissen. Allerdings haben sowohl Bomba als auch Schwarz laut Teilnehmern betont, dass man bei der Frage von Entschädigungen „unternehmensfreundliche“ Vereinbarungen treffen wolle. Sprich: Die von der Verschiebung der Inbetriebnahme betroffenen Unternehmen sollen nicht zu kurz kommen. Außerdem habe Schwarz bestätigt, dass es bei der Brandschutzanlage derzeit vor allem Probleme bei der Verkabelung und der Tragelast der Kabeltrassen gegeben. Eine endgültige Bestätigung oder Absage des Eröffnungstermins am 17. März 2013 soll wie angekündigt im August erfolgen.

Die Flughafengesellschaft hat unterdessen Darstellungen zu den umstrittenen Prämienzahlungen für ihre Geschäftsführer korrigiert. Anders als am Vortag angegeben und im Tagesspiegel beschrieben, seien die Bonuszahlungen an die Flughafengeschäftsführer Rainer Schwarz und Manfred Körtgen in Höhe von 71000 Euro nicht erst auf der Aufsichtsratssitzung im April abgesegnet worden, heißt es in einer Mitteilung der Gesellschaft. Diese erfolgsabhängige Vergütung für das Jahr 2010 wurde bereits Mitte 2011 genehmigt und ausgezahlt – also zeitlich noch weiter von dem geplatzten Eröffnungstermin am 3. Juni diesen Jahres entfernt. Der Aufsichtsrat habe lediglich auf der Sitzung im April den Jahresabschluss 2011 gebilligt, in dem diese Zahlungen aufgeführt sind. Der Regierungssprecher der Potsdamer Staatskanzlei, Thomas Braune, weist darauf hin, dass seine im Tagesspiegel von gestern zitierte Antwort „Nein“ auf die Frage, ob über die Auszahlung der Boni für die Geschäftsführer bereits entschieden worden sei, sich auf die Boni 2011 und nicht auf die Boni 2010 bezog. Über die Boni 2011 wurde bis heute noch nicht entschieden.

Zur Startseite