Neues Hundegesetz in Berlin: 1000 Euro für einen Hundehaufen?
Würden die Bußgelder für nicht entsorgte Hundehaufen erhöht, könnte von den Einnahmen mehr Kontrollpersonal eingestellt werden - dachte sich Justizsenator Heilmann. Die Bezirke sind skeptisch. „Dann müsste der Hundehaufen etwa 1000 Euro kosten“, rechnet Lichtenbergs Ordnungsstadtrat Andreas Prüfer vor.
Manchmal merkt man doch, dass Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) ein politischer Quereinsteiger aus der Wirtschaft ist – etwa an seinem Vorschlag, die Bußgelder für nicht entsorgte Hundehaufen oder von der Leine gelassene Hunde im Park so teuer zu machen, dass mit den Einnahmen mehr Kontrollpersonal eingestellt werden kann. „Na ja, das war mehr ein Gedankenspiel“, wiegelte seine Sprecherin Claudia Engfeld am Donnerstag ab. So ganz ausgereift war es wohl nicht.
Wie berichtet, hatte Heilmann die Erhöhung der Bußgelder auch im Hinblick auf seinen Entwurf für ein neues Berliner Hundegesetz ins Gespräch gebracht. Denn darin sieht er eine generelle Leinenpflicht für Hunde im gesamten Stadtgebiet vor. Mit zwei Ausnahmen: Wer mit seinem Vierbeiner eine Gehorsamkeitsprüfung absolviert hat und so einen Hundeführerschein erwirbt, darf sein Tier weiterhin frei laufen lassen. Gleiches gilt für Hunde, die seit drei Jahren beim selben Besitzer zu Hause sind und in dieser Zeit nicht als aggressiv auffielen. Diese neuen Regelungen sollen ebenfalls mit Kontrollen und angedrohten Bußgeldern einhergehen. Doch zurzeit reichen die Mitarbeiter der Ordnungsämter nicht einmal aus, um die Pflicht zur Beseitigung des Hundekots halbwegs zu überwachen.
Heilmanns Rechnung - komplett unrealistisch?
Weil die Bezirke ihre Einnahmen komplett beim Senat abliefern müssen, müsste dieser ihnen zum Zwecke der Personalaufstockung neues Geld zuweisen. Stattdessen hat der Senat aber die umgekehrte Parole ausgegeben: Die Bezirke müssen derzeit rund 15 Prozent der Stellen abbauen. „Wir hätten eigentlich selber genug Geld, um unser Personal zu bezahlen und sogar noch welches einzustellen“, sagt zum Beispiel der Lichtenberger Ordnungsstadtrat Andreas Prüfer (Linke). „Aber wir dürfen ja nicht.“
Heilmanns Rechnung hält er für komplett unrealistisch. „Sagen wir, ein Ordnungsamtsmitarbeiter kostet 30 000 Euro im Jahr, und das ist schon sehr niedrig geschätzt“, so Prüfer. „Dann müsste der liegen gelassene Hundehaufen etwa 1000 Euro kosten.“ Dabei legt er allerdings die niedrige Zahl der bisher erwischten Häufchensünder zugrunde, während Heilmann erwartet, dass mehr Kontrolleure auch mehr Vergehen ahnden können. „Es sind nur ganz wenige Fälle im Jahr“, sagt Andreas Prüfer. Zuletzt waren es in Lichtenberg 26 im ganzen Jahr. Man müsse die Missetäter auf frischer Tat erwischen, und wenn sich ein Uniformierter nähere, verhielten sich die meisten gesetzestreu. Dasselbe Phänomen beschreiben die Leiter der Ordnungsämter von Neukölln und Mitte, Nicole Gebell und Harald Strehlow. Strehlow nennt es Drehtür-Effekt. „Ist das Ordnungsamt zu sehen, sind alle brav, ist es wieder weg, legt sich auch die Gesetzestreue wieder“, so Strehlow. Und im Gegensatz zum Justizsenator macht er noch eine andere Rechnung auf: Wenn man flächendeckend Streifen einsetzen könnte, würde der Kot von den Hundebesitzern weggeräumt und der Bezirk hätte keine Einnahmen mehr – damit wäre das viele Personal unbezahlbar. Genau dieses Problem sieht auch Stadtrat Oliver Schworck aus Tempelhof-Schöneberg. In Mitte werden im Übrigen noch weniger Häufchensünder erwischt als in Lichtenberg. Strehlow schätzt die Zahl auf fünf oder sechs verhängte Verwarnungsgelder pro Jahr.
In Hamburg zeigen die Auflagen Wirkung
Dass mehr Kontrolleure und höhere Bußgelder aber längst nicht das einzige wirksame Mittel sind, um verantwortungslose Hundehalter zur Vernunft zu bringen, zeigt ein Blick nach Hamburg. Dort gibt es bereits seit 2007 eine Leinenpflicht, von der man sein Tier nur durch den Erwerb eines Hundeführerscheines befreien kann. Ob die Halter frei laufender Hunde diesen Schein besitzen, wird auch in der Hansestadt wegen der fehlenden Kontrolleure nur wenig überprüft. Dennoch sagt der Sprecher der für Hunde zuständigen Senatsverwaltung für Verbraucherschutz, Rico Schmidt: „Das Verhältnis zwischen Menschen mit und ohne Hund in unserer Stadt hat sich durch die Leinenpflicht und den Hundeführerschein erheblich entspannt.“
0ffenbar fühlen sich Hundehalter durch diese Auflagen stärker denn je unter öffentlicher Beobachtung und bemühen sich folglich mehr, den Vorschriften nachzukommen. Und weil viele auch den Freiheitsdrang ihres Lieblings nicht zu sehr einschränken wollen, besuchen sie eine Hundeschule und legen anschließend mit ihrem Tier die Gehorsamkeitsprüfung vor einem amtlich anerkannten Hundesachverständigen ab. So hat in Hamburg inzwischen knapp die Hälfte aller Hundehalter ein entsprechendes Examen geschafft und den Hundeführerschein in der Tasche. Die Zahl der Hundeschulen-Absolventen in Berlin ist erheblich geringer.
Bei der Prüfung werden zudem schwierige Übungen inszeniert. Der Hund muss etwa Jogger, die auf ihn zurennen, friedlich vorbeilassen, er muss still an einem Platz verharren und erst auf Zuruf zum Halter kommen. Er darf keinen Menschen anspringen und Straßen nur auf Kommando überqueren. „Seit immer mehr Hunde in Hamburg so etwas beherrschen, ernten wir als Hundehalter weniger böse Blicke von genervten Passanten“, sagt der hanseatische Hundetrainer Peter Dominiak. Den Hunden werde „vertrauensvoller“ begegnet. Was die Tiere alles lernen könnten, imponiere vielen Menschen: „Wir werden öfter gefragt, wie man einem Hund so ein gutes Benehmen beibringt.“