Die Geschichte der Liebermann-Villa: 100 Jahre Liebermann-Villa: Auf der eigenen Scholle
Die Max-Liebermann-Gesellschaft wird den 100. Jahrestag von Liebermanns Einzug in Wannsee mit einer Ausstellung über die Geschichte des Maler-Paradieses in Wannsee begehen.
Der neue Hausbesitzer war überaus zufrieden: „Seit fünf Tagen leben wir nun hier und ich empfinde zum ersten Male in meinem Leben das Gefühl, auf der eigenen Scholle zu sitzen. Allerdings bin ich ja auch der glückliche (?) Besitzer des Hauses am Pariser Platz, aber da ich das mit mehreren Miethern theilen muß, wird es ziemlich illusorisch. Hier kann ich meinen Ellenbogen wenigstens nach beiden Seiten ausstrecken, ohne – anzustoßen.“
Am 26. Juli 1910 war der 63-jährige Max Liebermann mit seiner Frau Martha, der Tochter Käthe und dem geliebten Dackel Männe hinaus an den Wannsee, in seine neue Sommervilla in der heutigen Colomierstraße 3, gezogen – für ihn die Erfüllung eines lange gehegten Traums. Zwar lag das geerbte Stadthaus sehr zentral, direkt nördlich neben dem Brandenburger Tor, mit eigens ausgebautem Atelier unterm Dach. Aber die damals rasant wachsende Metropole ging dem Maler doch zunehmend auf die Nerven, auch wurden ihm die Sommerreisen nach Holland mit zunehmendem Alter beschwerlich, und so hatte auch er wie viele andere, die es sich leisten konnten, sich dem Zug nach draußen angeschlossen.
Die Max-Liebermann-Gesellschaft, die die alte, denkmalgeschützte Villa 2002 übernommen hatte, wird den 100. Jahrestag von Liebermanns Einzug in Wannsee mit einem besonderen Jubiläumstag und einem übers Jahr sich hinziehenden Programm feiern. An diesem Wochenende wird bereits die dazu passende Ausstellung eröffnet, die größte, die der mittlerweile 1450 Mitglieder zählende Verein zusammengestellt hat, kuratiert vom Leiter des Hauses Martin Faass: „100 Jahre Liebermann-Villa – Die Idee vom Haus im Grünen“.
Am gestrigen Mittwoch hingen schon die ersten Bilder an den Wänden, Transportkisten standen herum, die Schauvitrinen mussten noch gefüllt werden. Über 40 Gemälde, Zeichnungen, Fotografien und Dokumente erwarten dann ab Sonntag die Besucher, zusammengestellt aus eigenem Bestand, aus Werken hiesiger Häuser, darunter auch eines aus Schloss Bellevue, und ergänzt durch zahlreiche Leihgaben aus Privatsammlungen.
Das Haus am Wannsee war für Liebermann weit mehr als eine Zuflucht vor dem anstrengenden Großstadtleben. Es war Arbeitsstätte mit einem Atelier im Obergeschoss – und mit seinem prächtigen Garten ein unerschöpfliches Motiv. Nahezu 200 Ölgemälde, dazu zahllose Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen und Grafiken umfasst das Werk seiner Wannseebilder. Für die Ausstellung wurden vor allem solche ausgewählt, die das Haus eingebettet in die Natur zeigen – ein Motiv, das Liebermann schon vor 1910 immer wieder beschäftigt hat, wie einige Werke zeigen. Auch Bilder von den zwei Hamburger Villen, die zum Vorbild für Liebermanns eigenes Haus wurden, sind vertreten: Das Haus Godeffroy hatte Liebermann zur Vorderfassade mit den beiden zentralen Säulen inspiriert, die zum Wannsee hin gelegene Rückseite mit dem mittigen dreieckigen Giebel war dem Haus Wesselhoeft entlehnt. Liebermann hatte die Häuser bei Besuchen in Hamburg gesehen und seinem Architekten Paul Otto August Baumgarten um Ähnliches gebeten.
Die Begeisterung für ein Haus im Grünen, selbst gedacht als eine Art Gesamtkunstwerk, teilte Liebermann mit vielen Künstlern seiner Zeit – ein Traum, der sich einfügte in die Lebensreformbewegung um die Jahrhundertwende mit ihrer Sehnsucht nach einem Leben im Einklang mit der Natur. Auch Maler wie Lovis Corinth, Max Slevogt, Heinrich Vogeler oder auch Lyonel Feininger hat das Motiv der Gartenvilla fasziniert, einige Werke sind in der Ausstellung zu sehen.
Das Grundstück hatte Liebermann 1908 erworben, als eines der letzten freien in der Colonie Alsen in Wannsee, wo sich viele namhafte Berliner aus der Wirtschaft, dem Bankwesen und der Kultur niedergelassen hatten. Seine Nachbarn waren der Verleger Carl Langenscheidt und der AEG-Direktor Johann Hamspohn. Auch für den Garten hatte Liebermann sehr konkrete Vorstellungen, umgesetzt hat er sie unter Anleitung seines Freundes Alfred Lichtwark, des Direktors der Hamburger Kunsthalle.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs war es mit der Sommerfrische in Holland ohnehin vorbei. Liebermanns verbrachten nun ihre Sommer weitgehend in Wannsee, den letzten im Jahr 1934, am 8. Februar 1935 starb der Maler. Seine Witwe Martha wurde 1940 zum Verkauf an die Deutsche Reichspost gezwungen, das Geld kam auf ein Sperrkonto. Die Post nutzte das Gebäude als Schulungsheim für weibliches Personal, in den letzten Kriegswochen wurde es Lazarett. Bei der Krankenhausnutzung blieb es nach 1945, erst 1969 wurde der Betrieb eingestellt. Über 30 Jahre Nutzung durch den Deutschen Unterwasserclub folgten, erst 2002 zog die Liebermann-Gesellschaft ein und restaurierte Haus und Garten, die heute Museum sind – mit großem Erfolg: Pro Jahr besuchen 80 000 Kunstliebhaber Haus und Garten.
„100 Jahre Liebermann-Villa – Die Idee vom Haus im Grünen“, Vernissage Sonntag 11 Uhr, bis 15. August