Streit um die Verbeamtung: 100 Berliner Schulen werden bestreikt
Am Donnerstagmorgen geht der Streik in Berliner Schulen weiter. Der Konflikt dreht sich um die Frage der Verbeamtung - und da geht Senatorin Scheeres nun in die Offensive: Sie will das Einstellungsverfahren ändern, um einen Umweg in den Beamtenstatus zu verschließen.
Seit 7 Uhr 15 steht Jörn Josepeit im Schnee vor der Sonnenuhr Grundschule in Lichtenberg. Mit Transparenten und Flyern empfängt der Lehrer für Sport und Erdkunde Eltern, die ihre Kinder zur Schule bringen wollen. Viel haben er und seine sechs streikenden Lehrerkollegen aber nicht zu tun. Nur etwa 30 Kinder sind zur ersten Stunde erschienen, die anderen kommen erst zur dritten - wenn der Streik der angestellten Lehrer beendet ist. Die machen an der kleinen Grundschule in Lichtenberg ein Drittel des Lehrerkollegiums aus. Aber auch die verbeamteten Lehrer unterrichten in den ersten beiden Stunden nicht, sagt Josepeit: „Es sind einfach zu wenige Schüler da, die werden, bis der Streik um 9 Uhr 25 vorbei ist, von ihren Klassenlehrern beaufsichtigt.“
Obwohl Berlin seit 2004 Lehrer nicht mehr verbeamtet, werden jedes Jahr mehr als 100 Pädagogen mit Beamtenstatus eingestellt. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will diese Praxis nun offenbar eindämmen und plant Änderungen am Einstellungsverfahren. Bisher konnten Lehrer, die schon in anderen Bundesländern als Beamte gearbeitet haben, ihren Status bei einem Wechsel nach Berlin behalten. Nach Angaben des Senats betrifft dies rund zehn Prozent der Einstellungen, im Jahr 2012 waren es 130 Pädagogen. Einzelheiten ihres Vorhabens will Scheeres in Kürze der Öffentlichkeit vorstellen. „Die Änderungen sollen alle verbeamteten Lehrer, die nach Berlin wechseln wollen, betreffen“, sagte die Senatorin.
Die Regelung könnte sich an dem Verfahren in Sachsen orientieren. Das Bundesland stellt generell keine verbeamteten Lehrer ein.
„Die Trickserei mit der Verbeamtung muss endlich aufhören“, sagte Grünen-Bildungsexperte Özcan Mutlu. Es könne nicht angehen, dass sich ein Junglehrer nach der Ausbildung in Berlin mit einem kurzen Umweg über ein anderes Bundesland Beamtenprivilegien sichere, die den angestellten Lehrern verwehrt blieben. Verbeamtete Lehrer verdienen nach Berechnungen der Initiative „Bildet Berlin“ im Laufe ihres Arbeitslebens über 100 000 Euro mehr; Beamte bekommen im Krankheitsfall zudem eine unbegrenzte volle Lohnfortzahlung.
Die Ungleichbehandlung von Angestellten und Beamten ist einer der Hauptkritikpunkte der angestellten Lehrer, die ihren Forderungen derzeit mit einem Warnstreik Nachdruck verleihen. Sie wollen zudem die Aufnahme von Tarifverhandlungen erreichen und Arbeitserleichterungen besonders für ältere Lehrer. Nach Angaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beteiligten sich am Mittwoch weitaus mehr Schulen und Lehrer als erwartet, am heutigen Donnerstag soll es an rund 50 Schulen weiter gehen. Die GEW erwartet, dass sich insgesamt mehr als 800 Lehrer an mehr als 100 Schulen an der Aktion beteiligen. Auch die 29-jährige Lehrerin Nicole Sürig aus Wilmersdorf ist dabei. „Ich arbeite regelmäßig über 70 Stunden in der Woche. Mich ärgert die Ungleichbehandlung“, sagt sie. Noch bis 13 Uhr kann es zu Unterrichtsausfall an den Berliner Schulen kommen. "Wir haben zu einem zweistündigen Streik zwischen 8 und 13 Uhr aufgerufen", sagt der Sprecher des GEW Tom Erdmann.
Beteiligte Schulen am Donnerstag:
Lilienthal Gymnasium (Lichterfelde), Janusz-Korczak-Schule (Pankow), Bernhard-Ryke-Grundschule (Spandau), Carlo-Schmidt-Oberschule (Spandau), Gustav-Meyer-Schule (Kreuzberg), Jens-Nydahl-Grundschule (Kreuzberg), Picasso Grundschule (Weißensee), Kepler-Schule (Neukölln), Joan-Miro-Grundschule (Charlottenburg), Sonnenuhr Grundschule (Lichtenberg), Friedrich-Ebert-Oberschule (Wilmersdorf), Hector-Peterson-Schule (Kreuzberg), Kurt-Tucholsky-Schule (Pankow), Arno-Fuchs-Schule (Charlottenburg), Gottfried-Keller Oberschule (Charlottenburg), 1. Gemeinschaftsschule Charlottenburg, Judith-Kerr Grundschule (Schmargendorf)
Außer den aufgeführten Schulen beteiligen sich noch weitere, die sich kurzfristig zum Streik entschlossen haben.